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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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war, als ob er an einem Strick zu ihr hinübergezogen würde. Ein Strick, der um meinen Schwanz geschlungen ist. Und mich ziehen die infantilen, selbstzerstörerischen Leidenschaften von einer peinlichen Lage in die nächste.
    Sie sah zu ihm auf, und ihre rotverweinten Augen ließen ihm den Atem stocken. »Bremer dan Gorst.« Ihre Stimme klang flach. »Was führt Sie hierher?«
    Oh, ich wollte eigentlich den Stabschef Ihres Vaters ermorden, aber er hat mich in besoffenem Kopf bejubelt, und daraufhin habe ich lieber mit ihm auf mein Heldentum angestoßen. Irgendwo muss doch eine gewisse Ironie darin verborgen sein …
    Er merkte, dass er ihr im Schatten liegendes Gesicht von der Seite anstarrte. Dass er starrte und starrte. Eine Laterne hinter ihr verlieh ihrem Profil einen goldenen Schein und ließ die flaumigen Härchen auf ihrer Oberlippe schimmern. Der Gedanke, dass sie zur Seite blicken und bemerken würde, dass er ihren Mund anglotzte, erschreckte ihn. Es gibt doch sicher kein unschuldiges Motiv dafür, den Mund einer Frau derart anzustarren? Einer verheirateten Frau noch dazu? Einer wunder-, wunderschönen verheirateten Frau? Er wollte, dass sie hersah. Wollte, dass sie ihn beim Anstarren erwischte. Aber natürlich tat sie es nicht. Welchen Grund könnte eine Frau wohl auch haben, mich anzusehen? Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr, dass es wehtut. Mehr als alle Schläge und Verletzungen, die ich heute einstecken musste. Mehr als alle Schläge und Verletzungen, die ich heute ausgeteilt habe. Ich liebe dich so sehr, dass ich mir fast in die Hosen mache. Sprich es aus. Nicht das mit dem in die Hosen machen, das andere. Was hast du zu verlieren? Sprich es aus, verdammt noch mal!
    »Ich habe gehört …«, begann er beinahe flüsternd.
    »Ja«, erwiderte sie.
    Eine äußerst unangenehme Pause. »Sind Sie … «
    »Ja. Kommen Sie schon, sagen Sie es ruhig. Sagen Sie mir, dass ich gar nicht hätte hier sein sollen. Machen Sie schon.«
    Noch eine Pause, noch unangenehmer. In ihm klaffte ein Abgrund zwischen Hirn und Mund, von dem er nicht wusste, wie er ihn überbrücken sollte. Den er nicht zu überbrücken wagte. Sie tat es so mühelos und leicht, dass ihm die Luft wegblieb. »Sie haben Gefangene befreit«, konnte er schließlich herausbringen. »Sie haben Leben gerettet. Sie sollten stolz auf sich sein.«
    »O ja, ich bin eine echte Heldin. Alle sind furchtbar stolz. Kennen Sie Aliz dan Brint?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht, jedenfalls nicht richtig. Ich hielt sie für eine Närrin, wenn ich ehrlich bin. Sie war bei mir. Da auf der anderen Seite.« Sie deutete mit dem Kopf hinunter zum dunklen Tal. »Sie ist noch immer dort. Was geschieht wohl gerade mit ihr, während wir hier stehen und reden, was glauben Sie?«
    »Nichts Gutes«, platzte Gorst heraus, ohne richtig nachzudenken.
    Sie warf ihm einen düsteren Seitenblick zu. »Wenigstens sagen Sie, was Sie denken.« Dann wandte sie ihm den Rücken zu, ging den Hang zum Hauptquartier ihres Vaters hinauf und ließ ihn stehen, so wie sie es immer tat, während er noch den Mund geöffnet hatte, um Worte auszusprechen, die ihm doch nie über die Lippen kommen würden.
    Oh ja, ich sage immer das, was ich denke. Würdest du vielleicht gern meinen Schwanz lutschen? Bitte? Oder mir die Zunge in den Mund schieben? Eine Umarmung wäre auch schon was. Sie verschwand in der niedrigen Scheune, und die Tür fiel zu, schloss das Licht im Haus ein. Händchen halten? Sonst was vielleicht?
    Wieder hatte es zu regnen begonnen.
    Irgendetwas?

MEIN LAND
    C alder nahm sich Zeit auf seinem Weg durch die Nacht, als er auf die Feuer hinter Clails Mauer zuhielt, die im Nieselregen zischten und spuckten. Sein Leben war schon seit langer Zeit ständig in Gefahr gewesen, wenn auch vielleicht nie so sehr wie jetzt, aber seltsamerweise hatte er sein süffisantes Grinsen noch immer nicht verloren.
    Sein Vater war tot. Sein Bruder war tot. Es war ihm sogar gelungen, seinen alten Freund Kropf gegen sich aufzubringen. All seine Ränke hatten ihm nichts genützt. Die Saat, die er so vorsichtig allerorten ausgebracht hatte, sie hatte nicht eine einzige noch so mickrige, bittere Frucht getragen. Er hatte einen großen, großen Fehler begangen, befeuert durch zu große Ungeduld und reichlich viel von Hohls billigem Fusel, und es war gut möglich, dass dieser Fehler ihn das Leben kosten würde. Schon bald. Und sehr schmerzhaft.
    Aber er fühlte sich stark. Frei. Endlich war er nicht mehr der jüngere

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