Heldenklingen
ein ideales Gelände für Berittene.« Schneebleich deutete auf das Ackerland, das zum Fluss hin leicht abfiel. »Schön flach und eben. Vielleicht glaubt er, er könnte uns morgen alle niederreiten.«
»Wird er vielleicht, ja.« Calder spitzte die Lippen und dachte darüber nach. Dachte über den Befehl nach, der zerknüllt unter seinem Hemd steckte. Meine Männer und ich geben alles. Skrupellos. Arrogant. Eitel. Ungefähr das sagten die Männer auch über Calder. Vielleicht konnte ihm das einen kleinen Hinweis darauf geben, wie sein Gegner dachte. Seine Augen glitten wieder zu den idiotischen Flaggen, die dort vor der vordersten Linie prangten und beleuchtet waren wie bei einem Tanzvergnügen zu Mittsommer. Sein Mund fand zu seinem üblichen Grinsen zurück und blieb so. »Ruf deine besten Leute zusammen. Nicht mehr als vielleicht fünfzig. Die gut zusammenbleiben und in der Nacht schnell arbeiten können.«
»Wozu?«
»Wir werden die Union morgen nicht schlagen, wenn wir hier herumsitzen und uns fürchten.« Er trat den losen Stein von der Mauerkante. »Und ich glaube nicht, dass uns die Ackerbegrenzung eines Bauern wirkungsvoll dabei helfen wird, sie uns vom Hals zu halten, oder?«
Schneebleich zeigte die Zähne. »Jetzt erinnerst du mich wieder an deinen Vater. Was ist mit den übrigen Jungs?«
Calder sprang von der Mauer. »Sag Weißauge, er soll sie zusammentrommeln. Sie werden ein bisschen graben.«
DRITTER TAG
»Ich weiß nicht,
wie viel Gewalt und
Gemetzel der Leser
erträgt.«
ROBERT E. HOWARD
DAS ÜBLICHE
D as Licht kam und ging, derweil die Wolken über den Himmel zogen. Kurz gewährten sie einen Blick auf den großen Vollmond, dann versteckten sie ihn wieder, wie eine schlaue Hure, die immer wieder ein kleines bisschen von ihren Titten zeigt, um die Freier bei Laune zu halten. Bei den Toten, Calder hätte etwas dafür gegeben, jetzt auch eine schlaue Hure zu sein, statt in einem feuchten Kornfeld zu kauern und durch die wogenden Halme zu spähen, als ob man in der Nachtschwärze überhaupt irgendwas hätte sehen können. Es war eine traurige – oder vielleicht auch gar nicht so traurige – Tatsache, dass er sich eher auf Bordelle verstand denn auf Schlachtfelder.
Bei Schneebleich verhielt es sich eher umgekehrt. Er hatte seit einer Stunde oder noch länger nichts weiter bewegt als seine Kinnbacken, die gemächlich ein Stückchen Tschagga zu Brei mahlten. Seine gelassene Ruhe machte Calder nur noch wepsiger. Das kleinste Geräusch ließ ihn zusammenfahren, beispielsweise das Kratzen der Schaufeln, das manchmal so klang, als sei es nur ein paar Schritte entfernt, bis es dann wieder völlig vom Wind verschluckt wurde. Ebendieser Wind schlug Calder das Haar ins Gesicht, trieb ihm Sand in die Augen und drang durch seine Kleidung bis auf die Knochen.
»Scheiß Wind«, brummte er.
»Wind ist gut«, knurrte Schneebleich. »Überdeckt die Geräusche. Und wenn du frierst, wo du doch im Norden aufgewachsen bist, dann versuch dir mal vorzustellen, wie die da drüben sich fühlen, die ja südliche Gefilde gewöhnt sind. Das kommt uns alles zugute.« Insgesamt waren das ohne Zweifel gute Argumente, und Calder ärgerte sich, dass sie ihm nicht selbst eingefallen waren, aber deswegen war ihm jetzt auch nicht wärmer. Er zog sich den Mantel am Hals eng zusammen, klemmte die andere Hand in die Achselhöhle und kniff ein Auge zu.
»Ich habe ja erwartet, dass Krieg große Schrecken birgt, aber nicht, dass er so verdammt langweilig ist.«
»Nur Geduld.« Schneebleich wandte den Kopf, spuckte leise aus und leckte sich die nasse Unterlippe. »Geduld ist eine ebenso mächtige Waffe wie Zorn. Sogar noch mächtiger, weil noch weniger Männer darüber verfügen.«
»Häuptling.« Calder fuhr herum und griff unsicher nach seinem Schwert. Ein Mann war aus dem Dickicht der Ähren neben ihm geglitten. Die Augen leuchteten in seinem dreckverschmierten Gesicht eigentümlich weiß. Er war einer von ihnen. Calder fragte sich, ob er sich auch irgendwas ins Gesicht hätte schmieren sollen. Es gab einem Mann den Anschein, als ob er wusste, was er tat. Kurz wartete er darauf, dass Schneebleich etwas sagte. Dann begriff er, dass er selbst der Häuptling war.
»Oh, natürlich.« Er ließ das Schwert wieder los und tat so, als sei er nicht im Geringsten überrascht. »Was ist denn?«
»Wir liegen in den Gräben«, flüsterte der Neuankömmling. »Haben ein paar Unionisten wieder zu Schlamm werden lassen.«
»Wirkten sie
Weitere Kostenlose Bücher