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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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er einen falschen Ton spielen würde, ja sogar, dass die Trompete aus irgendeinem Grund voller Schlamm sein und lediglich einen furzenden Ton und einen Schwall Wasser hervorbringen würde. Er hatte oft Albträume, in denen so etwas geschah. Vielleicht war das alles auch wieder nur ein Traum. Er hoffte es von ganzem Herzen.
    Aber das Signal zum Angriff erklang rein und hell, und er spielte es so ordentlich, wie er es auf dem Exerzierplatz gelernt hatte. »Vorwärts!«, sang die Trompete, und Jalenhorms Division stürmte mit flatternden Standarten voran, ebenso wie Jalenhorm selbst und Oberst Gorst und die ganze Rotte von Stabsoffizieren. Und so trieb Retter sein Pony nach kurzem Zögern ebenfalls an, schnalzte mit der Zunge und rückte voran, über die steinige Böschung und durch das brackige Wasser des Flusses.
    Vermutlich, überlegte er, konnte er sich glücklich schätzen, dass er reiten durfte. Zumindest behielt er auf diese Weise trockene Hosen. Jedenfalls, wenn er sich nicht selbst nass machte. Oder ihn jemand am Bein verletzte. Beides Möglichkeiten, die ihm, wenn er so darüber nachdachte, recht wahrscheinlich vorkamen.
    Ein paar Pfeile zischten vom anderen Ufer herüber. Woher sie genau kamen, konnte Retter nicht sagen. Ihn interessierte vielmehr, wo sie landeten. Ein paar fielen harmlos in die Flussarme vor ihnen. Andere verloren sich in den Reihen der Männer und richteten dort offenbar auch keinen Schaden an. Retter zuckte zusammen, als ein Schaft von einem Helm abprallte und zwischen die marschierenden Soldaten fiel. Alle anderen trugen Rüstungen. General Jalenhorms sah aus, als sei es die teuerste Rüstung der ganzen bekannten Welt. Es schien irgendwie nicht fair, dass Retter keine hatte, aber bei der Truppe ging es eben nicht immer fair zu, dachte er.
    Kurz erhaschte er einen Blick auf das, was hinter ihm geschah, während sein Pony sich aus dem Wasser auf eine kleine Insel aus trockenem Sand hinaufmühte, an deren einem Ende sich angeschwemmtes Treibholz gefangen hatte. Die Furt war voller Soldaten, die bis zu den Knöcheln oder Knien oder sogar bis zur Hüfte durchs Wasser wateten. Hinter ihnen standen auf ganzer Uferbreite weitere Männer und warteten darauf, dass sie nachrücken konnten, und hinter der Böschung tauchten noch mehr Einheiten auf. Dass er einer von so vielen war, flößte Retter ein wenig Mut ein. Wenn die Nordmänner hundert Unionisten töteten, ja, selbst wenn sie tausend töteten, würden immer noch viele Tausend übrig sein. Er wusste nicht genau, wie viel ein Tausend wirklich war, aber bestimmt sehr viele.
    Dann wurde ihm klar, dass das ja alles ganz schön sein mochte, solange man selbst keiner von den Tausend war, die in eine Grube geworfen wurden, denn dann war das alles überhaupt nicht mehr so schön, vor allem, da er gehört hatte, dass nur die Offiziere Särge bekamen, und er wollte nicht kalt in der feuchten Erde liegen. Nervös blickte er zu dem Obsthain hinüber und zuckte wieder zusammen, als ein Pfeil ein Dutzend Schritt entfernt klappernd gegen einen Schild schlug.
    »Nicht den Anschluss verlieren, Junge!«, rief Jalenhorm, der sein Pferd auf die nächste kiesige Sandbank trieb. Sie hatten die Untiefen nun zur Hälfte überquert, und der große Berg ragte hinter den Bäumen steiler und steiler auf.
    »Herr General!« Retter merkte, dass er die Schultern hängen ließ und sich auf den Sattel hinuntergeduckt hatte, um ein möglichst kleines Ziel abzugeben, erkannte aber, dass das feige wirkte, und zwang sich wieder zu einer aufrechten Haltung. Drüben, am anderen Ufer, sah er Männer aus einem niedrigen Gebüsch hervorbrechen. Zerlumpte Männer mit Bögen. Der Feind, wie er begriff. Scharfschützen der Nordmänner. So nahe, dass sie in Rufweite waren. So nahe, dass es beinahe albern schien. Wie beim Fangenspielen mit Freunden, früher an der Scheune. Er richtete sich noch mehr auf und nahm die Schultern zurück. Die Männer da drüben sahen mindestens genauso ängstlich aus, wie er sich fühlte. Ein Blondschopf kniete sich kurz hin, um einen Pfeil abzuschießen, der dann vor der ersten Reihe harmlos im Sand landete. Gleich darauf wandte er sich um und rannte zu den Apfelbäumen.
    Locke duckte sich mit den anderen zwischen den Bäumen und hastete durch die nach Äpfeln riechende Düsternis den Abhang hinauf. Er sprang in großen Sätzen über die gefällten Stämme und kniete sich dahinter hin, spähte nach Süden. Die Sonne war kaum aufgegangen, und Schatten lagerten

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