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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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nichts tun. Ein Häuptling kann ein oder zwei Jungs wieder zur Ordnung rufen, aber wenn die ganze Truppe die Flucht ergreift, ist er hilflos. Auch wenn es oft so aussieht, als sei unverbrüchlich festgelegt, wer als Anführer das Sagen hat, aber letztlich ist es nur eine Idee, mit der eine Reihe Leute einverstanden sind. Als Locke sich wieder hinter seinen Baumstamm gekauert hatte, wurde ihm klar, dass die anderen jetzt offenbar nicht mehr einverstanden waren. Soweit er sehen konnte, waren nur noch er und der Fremde mit der roten Kapuze übrig.
    »Da ist er!«, zischte der Mann und erstarrte plötzlich. »Er ist es!«
    Wieder hallte das verrückte Lachen durch die Bäume, kam von allen möglichen Seiten, von überall und aus dem Nichts. Locke legte einen Pfeil auf die Sehne, mit klebrigen Händen, in denen sich auch sein Bogen klebrig anfühlte. Seine Augen glitten von einer Seite zur anderen, blieben an einem gezackten, ausgefransten Schatten nach dem anderen hängen, an verdrehten Ästen und den verdrehten Schatten, die sie warfen. Der Blutige Neuner war tot, das wusste jeder. Aber was, wenn das doch nicht stimmte?
    »Ich sehe nichts!« Seine Hände zitterten, aber Scheiße, der Blutige Neuner war nur ein Mensch, und ein Pfeil würde ihn ebenso sicher töten wie jeden anderen. Nur ein Mensch, nichts anderes, und Locke war nicht der Typ, der vor einem Menschen davon rannte, auch nicht vor einem besonders harten Kerl, und auch nicht dann, wenn schon alle anderen wegen ihm abgehauen waren. »Wo ist er?«
    »Da!«, zischte der Mann mit der roten Kapuze, packte ihn an der Schulter und deutete zwischen die Bäume. »Da ist er!«
    Locke hob den Bogen und spähte in die Dunkelheit. »Ich sehe kein – Ah !« Er fühlte einen durchdringenden Schmerz in den Rippen und ließ die Bogensehne los. Der Pfeil surrte davon und schlug irgendwo in den Boden. Wieder ein bohrender Schmerz, und er sah hinab und entdeckte, dass der Mann mit der roten Kapuze auf ihn eingestochen hatte. Der Messergriff ragte noch aus seiner Brust, und die Hand war dunkel vor Blut.
    Locke packte den Mann am Hemd und drehte den Stoff in der Hand. »Wasss …« Aber er hatte nicht mehr genug Luft, um seinen Satz zu vollenden, und es schien nicht so, als sollte sich daran je wieder etwas ändern.
    »Tut mir leid«, sagte der Mann mit bedauernder Miene und stach noch einmal zu.
    Rotkapp sah sich schnell um und prüfte, ob ihm auch niemand zusah, aber offensichtlich waren Eisenkopfs Jungs allesamt damit beschäftigt, aus dem Obsthain zu entkommen und zu den Kindern zu laufen – darunter einige mit vollen Hosen, das stand fest. Er hätte bei dem Anblick gelacht, aber angesichts dessen, was er gerade hatte tun müssen, war ihm nicht danach. Er bettete den Mann, den er getötet hatte, auf den Boden und tätschelte ihm sanft die Brust, als seine Augen brachen, die ihn noch immer mit diesem etwas überraschten, leicht empörten Ausdruck ansahen.
    »Tut mir leid.« Ein hartes Ende für einen Mann, der gerade seine Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt hatte. Besser als die meisten, da er sich entschieden hatte, zurückzubleiben, während der Rest davonlief. Aber so war das im Krieg. Manchmal war man besser dran, wenn man die Drecksarbeit erledigte. Es war nun einmal ein schwarzes Geschäft, und es hatte keinen Zweck, deswegen in Tränen auszubrechen. Tränen waschen niemanden rein, das hatte schon Rotkapps alte Mutter immer gesagt.
    »Der Blutige Neuner!«, kreischte er, so entsetzt und erschüttert, wie er nur konnte. »Er ist hier! Er ist hier!« Dann stieß er einen Schrei aus, während er sich das Messer am Wams des Toten abwischte und in die Schatten spähte, ob dort andere Grüppchen die Stellung hielten, aber dafür gab es keinerlei Anzeichen.
    »Der Blutige Neuner!«, brüllte jemand, keine Dutzend Schritte hinter ihm. Rotkapp wandte sich um und stand auf.
    »Du kannst aufhören. Sie sind weg.«
    Das graue Gesicht des Hundsmanns glitt aus den Schatten. Er trug Bogen und Pfeile lose in der Hand. »Was, alle?«
    Rotkapp deutete auf den Mann, der er soeben erledigt hatte. »Alle, bis auf wenige Ausnahmen.«
    »Wer hätte das gedacht?« Der Hundsmann kniete sich neben ihn, und noch ein paar weitere Jungs kamen zwischen den Bäumen hervor. »Was man mit dem Namen eines Mannes nicht alles erreichen kann.«
    »Mit dem Namen und dem Lachen eines Toten.«
    »Colla, geh nach hinten und sag der Union, dass der Obsthain sauber ist.«
    »Joh.« Einer der

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