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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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werden im Laufe der Zeit immer schwerer.«
    »Gute Worte.« Whirrun zeigte kurz die blutigen Zähne. »Ich hätte mir wohl auch ein paar gute Worte für diesen Augenblick überlegen sollen. Worte, bei denen den Leuten später noch die Tränen in die Augen steigen. Was für die Lieder. Aber ich dachte halt, ich hätte noch ein paar Jahre Zeit. Fallen dir welche ein?«
    »Was, Worte?«
    »Joh.«
    Kropf schüttelte den Kopf. »Darin war ich nie gut. Was die Lieder angeht … da denke ich mal, die Barden machen ihre eigenen.«
    »Das ist wohl wahr, das tun sie, diese Ärsche.« Whirrun blinzelte an Kropfs Gesicht vorüber in den Himmel. Der Regen ließ endlich nach. »Die Sonne kommt wieder raus, na endlich.« Er schüttelte den Kopf und lächelte noch immer. »Wer hätte das gedacht? Schoglig hat Scheiße erzählt.«
    Dann war er still.

SPITZES METALL
    E s regnete in Strömen, und Calder konnte kaum fünfzig Schritte weit sehen. Vor ihm bildeten seine Männer ein wildes Knäuel mit den Soldaten der Union, Speere und Piken ineinander verkeilt, Arme, Beine, Gesichter aneinandergedrängt. Sie brüllten und heulten, Stiefel rutschten im nassen Schlamm aus, glitschige Stangen, glitschige Griffe und blutiges Metall glitten durch nasse Hände, die Toten und Verwundeten lagen übereinander wie von der Flut angeschwemmte Korken oder waren in den Schlamm getreten worden. Von Zeit zu Zeit gingen Pfeile nieder, man wusste nie von welcher Seite, prallten von Helmen ab oder glitten von Schilden in den aufgeweichten Boden.
    Die dritte Grube, oder zumindest das, was Calder davon sehen konnte, war ein Albtraumsumpf geworden, in dem schlammbedeckte Teufel sich gegenseitig mit verminderter Geschwindigkeit erstachen oder niederrangen. Die Union hatte es an mehreren Stellen über den Graben geschafft und sogar die Mauer dahinter überwunden, und dort waren Weißauges Soldaten und seine ständig wachsende Gruppe kämpfender Leichtverwundeter verzweifelt bemüht, sie immer wieder zurückzuschlagen.
    Calder hatte vom ständigen Gebrüll einen rauen Hals, dabei war es ihm nicht einmal gelungen, sich Gehör zu verschaffen. Jeder Mann, der noch eine Waffe halten konnte, kämpfte, und dennoch rückte die Union immer wieder nach, eine Welle nach der anderen, und stampfte endlos heran. Er hatte keine Ahnung, wo Schneebleich geblieben war. Vielleicht tot. Viele Männer waren tot. Einen Kampf mit direkter Tuchfühlung, wenn der Feind nahe genug stand, um einem ins Gesicht zu spucken, hielt man nicht lange durch. Dazu waren Menschen nicht gemacht. Früher oder später würde eine Seite nachgeben und wie ein brechender Deich in Windeseile davongeschwemmt werden. Dieser Augenblick war nun nicht mehr fern, das konnte Calder spüren. Er sah sich unruhig um. Ein paar Verwundete, ein paar Bogenschützen, und dahinter die verschwommenen Umrisse des Bauernhofs. Dort war sein Pferd. Vielleicht war es noch nicht zu spät, um …
    Links von ihm kletterten Männer aus der Grube und kamen auf ihn zu. Zuerst dachte er, es seien seine eigenen Leute, die das Naheliegende taten und um ihr Leben rannten. Dann begriff er mit kaltem Entsetzen, dass es sich bei diesen schlammbedeckten Gestalten um Unionisten handelte, die in dem wechselvollen Kampf durch eine Lücke geschlüpft waren.
    Mit offenem Mund stand er da, während sie auf ihn losstürmten. Zum Abhauen war es zu spät. Der Anführer hielt auf ihn zu, ein Unionsoffizier, der seinen Helm verloren hatte und dem die Zunge aus dem Mund hing, als er nach Luft rang. Er schwang eine dreckige Klinge, und Calder machte einen Satz zur Seite und trat in eine Pfütze. Den nächsten Schlag konnte er abwehren, der betäubende Aufprall drehte ihm die eigene Klinge in der Hand um und ließ seinen Arm bis hoch zur Schulter vibrieren.
    Er wollte etwas Männliches herausbrüllen, aber was er dann schließlich schrie, war: »Hilfe! Verdammte Scheiße! Hilfe!« Ganz rau und kehlig, und niemand konnte ihn hören oder achtete überhaupt auf ihn; alle waren mit dem Kampf um das eigene Leben beschäftigt.
    Auch wenn man sich das kaum vorstellen konnte: Als kleiner Junge war Calder jeden Morgen in den Burghof geschleppt worden war, um mit Speer und Klinge zu trainieren. Aber falls er dabei je etwas gelernt hatte, dann erinnerte er sich jetzt an nichts davon. Mit beiden Händen stocherte er vor sich herum wie eine alte Haushälterin, die mit einem Besen eine Spinne beiseitefegen will, sein Mund hing ihm weit offen, und das feuchte Haar

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