Heldenklingen
Arm gebogen. Er zerrte ihn herunter. Wischte sich Blut aus einem Auge.
Bumm, bumm, bumm machte es in seinem Schädel, als ob jemand einen langen Nagel hineintrieb. Davon abgesehen war es seltsam still. Offenbar hatten die Nordmänner die Unionisten vom Berg vertrieben, vielleicht war es auch genau anders herum, aber Kropf stellte fest, dass es ihm völlig wurscht war, wer gesiegt hatte. Die stampfenden Füße waren davongetrampelt und hatten auf der Bergkuppe einen See aus blutbespritztem, regennassem und von zahllosen Stiefelabdrücken durchzogenem Schlamm hinterlassen. Tote und Verwundete lagen da wie Herbstlaub, und die Helden selbst wachten wie immer unerschütterlich und sinnlos über die ganze Szenerie.
»Ach, Scheiße.« Drofd lag nur ein paar Schritt entfernt und hatte ihm das blasse Gesicht zugewandt. Kropf versuchte sich aufzurichten und hätte beinahe wieder gekotzt. Also beschloss er, es mit Kriechen zu versuchen, und schleppte sich über den aufgeweichten Boden. »Drofd, ist alles in Ordnung? Du – « Die andere Seite vom Kopf des Jungen war abgeschlagen, und Kropf konnte nicht sagen, wo der schwarze Matsch aus dem Inneren aufhörte und der schwarze Matsch draußen begann.
Er tätschelte Drofd die Brust. »Ach. Scheiße.« Nun sah er Whirrun. Der lag auf dem Rücken, der Vater der Schwerter steckte halb verdeckt neben ihm im Boden, der Knauf nicht weit entfernt von der rechten Hand. Ein Speer ragte aus seiner Brust.
»Ach, Scheiße«, sagte Kropf wieder. Er wusste nicht, was er sonst hätte sagen können.
Whirrun grinste zu ihm hoch, als er näher kroch, und ein blutiger, rosa Schimmer lag über seinen Zähnen. »Kropf! Hey! Ich würde ja aufstehen, aber …« Er hob den Kopf und sah den Speerschaft an. »Ich bin erledigt.« Kropf hatte sein Leben lang genug Wunden aller Art gesehen um zu wissen, dass es hier wirklich keine Rettung mehr gab.
»Joh.« Kropf setzte sich langsam auf, und seine Hände lagen schwer wie Ambosse in seinem Schoß. »Das denk ich auch.«
»Schoglig hat Scheiße erzählt. Die alte Schlampe wusste überhaupt nicht, wann ich sterben würde. Hätte ich das geahnt, dann hätte ich tatsächlich eine Rüstung getragen.« Whirrun gab ein Geräusch von sich, das halb zwischen Husten und Lachen lag, dann verzog er gequält das Gesicht, hustete, lachte wieder, zuckte wieder. »Scheiße, tut das weh. Ich meine, es ist einem ja klar, dass so was wehtut, aber trotzdem. Tja, da hast du mir mein Schicksal wohl trotzdem enthüllt, was, Kropf?«
»Sieht so aus.« Soweit Kropf das beurteilen konnte, war es kein besonders tolles Schicksal. Keines, das man sich freiwillig aussuchen würde.
»Wo ist der Vater der Schwerter?«, schnaufte Whirrun und versuchte sich ein wenig zu drehen, um besser sehen zu können.
»Wen interessiert das schon?« Blut kitzelte Kropfs Augenlid und ließ ihn unwillkürlich blinzeln.
»Er muss weitergegeben werden. So sind die Regeln. So, wie Daguf Col ihn an mich weitergereicht hat und Yorweel der Berg an ihn, und ich glaube, vor ihm war es Vierkopf? Es fällt mir schwer, mich an die Einzelheiten zu erinnern.«
»Ist schon gut.« Kropf beugte sich über ihn, sein Kopf brummte, er zog den Griff aus dem Dreck und drückte ihn Whirrun in die Hand. »Wem willst du ihn denn geben?«
»Wirst du dafür sorgen, dass alles so geschieht, wie ich es verfüge?«
»Unbedingt.«
»Gut. Es gibt nicht viele, denen ich in dieser Sache vertrauen würde, aber du bist aufrecht und ehrlich, Kropf, das sagen ja auch alle. Aufrecht und ehrlich.« Whirrun lächelte zu ihm hinauf. »Lege das Schwert in die Erde.«
»Hä?«
»Begrabe es mit mir. Es gab einmal eine Zeit, da dachte ich, es sei ein Fluch und ein Segen. Aber es ist nichts als ein Fluch, und ich will keine andere arme Sau damit belegen. Es gab einmal eine Zeit, da dachte ich, es sei eine Belohnung und eine Strafe. Aber das hier ist die einzige Belohnung für Männer wie uns.« Whirrun nickte zum blutigen Speerschaft hinab. »Das hier … oder dass man lang genug lebt, bis man keine Rolle mehr spielt. Leg es in den Schlamm, Kropf.« Und mit schmerzverzerrtem Gesicht schob er Kropf den Griff in die schlaffe Hand und drückte die schmutzigen Finger darüber zusammen.
»Das mache ich.«
»Wenigstens muss ich es nicht mehr mit mir herumschleppen. Merkst du, wie verdammt schwer es ist?«
»Jedes Schwert hat sein Gewicht. Das spüren die Männer meist nicht, wenn sie die Waffen zum ersten Mal zur Hand nehmen. Aber sie
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