Heldenklingen
senken. »Meine Pflicht ist es, für das Leben dieser Männer zu sorgen. Einen neuerlichen Angriff werde ich nicht zulassen. Nicht, solange ich den Befehl führe.«
»Und wie lange, glauben Sie, werden Sie das tun?«
»Lange genug. Gehen Sie!«, rief er dem Standartenträger zu, und der Mann eilte davon, während die weiße Fahne hinter ihm herflatterte.
»Herr Marschall.« Bayaz lehnte sich nach vorn, und jede Silbe seiner Worte fiel wie ein schwerer Stein. »Ich hoffe sehr, dass Sie die Konsequenzen bedacht haben werden … «
»Ich habe alles gründlich abgewogen und bin zufrieden.« Finrees Vater beugte sich nun ebenfalls ein wenig vor und kniff die Augen zusammen, als führe ihm ein heftiger Gegenwind ins Gesicht. Sie glaubte zu sehen, dass seine Hand zitterte, aber seine Stimme klang ruhig und gemessen. »Ich vermute, ich werde es lediglich sehr bedauern, dass ich es so weit habe kommen lassen.«
Die Brauen des Magus zogen sich noch mehr zusammen, und seine zischende Stimme schmerzte beinahe in den Ohren. »Oh, ein Mann kann weitaus mehr bedauern als nur das, Herr Marschall.«
»Darf ich?« Bayaz’ Diener schritt lässig durch das Chaos, das sie umgab. Er war durch und durch nass, als sei er durch einen Fluss geschwommen, und verdreckt, als habe er in einem Moor getaucht, doch er machte nicht den Anschein, als ob er sich auch nur im Geringsten unwohl fühlte. Bayaz beugte sich zu ihm hinunter, und der Diener flüsterte ihm hinter vorgehaltener Hand etwas ins Ohr. Der grimmige Ausdruck auf Bayaz’ Gesicht schwand allmählich, während er zuhörte, dann richtete er sich wieder im Sattel auf, dachte nach und zuckte schließlich die Achseln.
»Nun gut, Marschall Kroy«, sagte er. »Sie haben den Oberbefehl.«
Finrees Vater wandte sich ab. »Ich werde einen Übersetzer brauchen. Wer spricht die Sprache der Nordmänner?«
Ein Offizier mit dick verbundenem Arm trat vor. »Der Hundsmann und einige seiner Leute waren bei uns, als der Angriff begann, Herr Marschall, aber …« Er sah sich unter den zahllosen verwundeten und erschöpften Soldaten um. Wer konnte jetzt noch sagen, wer sich wo befand?
»Ich beherrsche sie ein wenig«, erklärte Gorst.
»Ein wenig könnte zu Missverständnissen führen. Das können wir uns nicht leisten.«
»Dann sollte ich mitkommen«, sagte Finree.
Ihr Vater starrte sie an, als sei er erstaunt, dass sie überhaupt anwesend war, ganz zu schweigen davon, dass sie ihre Dienste anbot. »Das kommt überhaupt nicht in Frage. Wir können es uns nicht leisten …«
»… zu warten?”, beendete sie den Satz. »Ich habe erst gestern mit dem Schwarzen Dow gesprochen. Er kennt mich. Er hat mir Verhandlungen angeboten. Damit bin ich am besten für diese Aufgabe geeignet. Ich sollte sie übernehmen.«
Er sah sie noch etwas länger an, dann lächelte er ganz leicht. »Nun gut.«
»Ich werde Sie begleiten«, piepste Gorst mit einem Hauch von Heldenmut, der inmitten so vieler Toter seltsam unangebracht schien. »Dürfte ich mir Ihren Säbel borgen, Oberst Felnigg? Meiner kam mir auf der Bergkuppe abhanden.«
Und so machten sie sich auf den Weg, zu dritt, durch den nachlassenden Regen, während sich die Helden nun klarer auf dem Berg vor ihnen abzeichneten. Sie waren nicht weit hinaufgestiegen, da rutschte ihr Vater aus, stöhnte und fiel seltsam ungelenk hin, hielt sich am Gras fest. Finree hastete nach vorn, um ihm aufzuhelfen. Er lächelte und tätschelte ihre Hand, aber er sah plötzlich aus wie ein alter Mann. Als ob der Widerstand gegen Bayaz ihn zehn Lebensjahre gekostet hatte. Natürlich war sie stets auf ihren Vater stolz gewesen. Aber niemals so sehr wie in diesem Augenblick. Stolz und traurig zugleich.
Herrlich stach die Nadel durchs Fleisch, zog den Faden hinterher und verzurrte ihn. Normalerweise hätte Whirrun das getan, aber Knacknuss hatte seine letzten Stiche gesetzt, so bedauerlich das auch war. »Wie gut, dass du so einen dicken Kopf hast.«
»Ein dicker Kopf hat mir immer gute Dienste geleistet.« Kropf sagte das ohne nachzudenken, und niemand lachte über seinen Witz, aber das hatte er auch nicht erwartet. In diesem Augenblick erklangen Rufe von der Mauer, die sich um die Helden schlang. Aus jener Richtung, aus der Rufe zu erwarten waren, wenn die Union wieder anrückte. Er stand auf, die Welt neigte sich kurz wie auf einer Wippe, und sein Kopf fühlte sich an, als ob er gleich platzen würde.
Yon packte ihn am Arm. »Alles klar?«
»Joh, so alles in allem
Weitere Kostenlose Bücher