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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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zwei weitere lagen hinten auf seinem Karren.
    Er versuchte die alte Decke glattzuziehen, aber so sehr er auch an den Ecken zupfte, sie wollte nicht ordentlich liegen. Whirruns Kinn, Drofds Kinn, ihre Nasen und ihre Füße bauten unter dem fadenscheinigen Stoff kleine Zelte. Es war ein erbärmliches Leichentuch. Aber die Lebenden hatten die guten Decken nötiger. Die Toten konnte ohnehin nichts mehr wärmen.
    »Ich glaube einfach nicht, dass du gehst«, sagte Scorry.
    »Hab ich doch seit Jahren gesagt.«
    »Genau. Hast es aber nie gemacht.«
    Kropf konnte nur die Achseln zucken. »Jetzt tu ich’s aber.«
    Er hatte sich das Abschiednehmen von seiner Truppe immer so ähnlich vorgestellt wie das Händeschütteln vor der Schlacht, mit demselben innigen Gefühl von Kameradschaft. Nur noch stärker vielleicht, weil ja alle wussten, dass es wirklich das letzte Mal sein würde, während vor einer Schlacht ja nur die vage Befürchtung bestand. Aber abgesehen vom eigentlichen Händeschütteln war es überhaupt nicht so. Die anderen erschienen ihm beinahe fremd. Vielleicht war er jetzt so etwas Ähnliches wie der Geist eines toten Kameraden geworden. Sie wollten ihn einfach nur begraben, damit ihr Leben weitergehen konnte. Für ihn würde es nicht einmal das alte, abgenutzte Ritual der geneigten Köpfe vor der frisch aufgeworfenen Erde geben. Sondern nur einen Abschied, der sich für beide Seiten wie Verrat anfühlte.
    »Dann bleibst du nicht und guckst dir das Spektakel an?«, fragte Flut.
    »Den Zweikampf?« Oder den Mord, wie man es vielleicht eher hätte nennen können. »Ich habe genug Blut gesehen, glaube ich. Das Dutzend gehört dir, Yon.«
    Yon warf mit hochgezogener Augenbraue einen Blick auf Scorry, Flut und Beck. »Das ganze Dutzend?«
    »Du wirst mehr Leute finden. Das war doch immer so. Nach ein paar Tagen wirst du gar nicht merken, dass jemand fehlt.« Das Traurige daran war, dass es wahrscheinlich stimmte. So war es immer gewesen, wenn sie einen Mann oder auch ein paar mehr verloren hatten. Schwer vorzustellen, dass es mit ihm selbst auch nicht anders sein würde. Dass man ihn vergessen würde, so wie der See einen Stein vergisst, den man in ihn hineingeworfen hat. Ein paar Wellen, und man ist verschwunden. Das Vergessen liegt in der Natur der Menschen.
    Yon sah grimmig auf die Decke und auf das, was sie verbarg. »Wenn ich sterbe«, murmelte er, »wer wird dann zu meinen Söhnen gehen?«
    »Vielleicht solltest du selbst zu ihnen gehen, schon mal daran gedacht? Suche sie, Yon, und finde sie, sag ihnen, wer du bist. Versuche dich mit ihnen auszusöhnen, solange du noch den Atem dazu hast.«
    Yon sah auf seine Stiefel. »Joh. Vielleicht.« Das Schweigen war ungefähr so angenehm wie ein Dorn im Arsch. »Also dann. Wir müssen die Schilde halten, da oben mit Herrlich.«
    »Das ist wohl so «, sagte Kropf. Yon wandte sich um und stieg kopfschüttelnd den Berg hinauf. Scorry nickte noch einmal und folgte ihm.
    »Bis dann, Häuptling«, sagte Flut.
    »Jetzt bin ich wohl kein Häuptling mehr.«
    »Du wirst immer mein Häuptling bleiben.« Flut wandte sich ab und humpelte hinter den anderen her. Kropf und Beck blieben allein am Karren stehen. Ein Junge, den er noch nicht einmal zwei Tage lang kannte, war nun der Letzte, der ihn verabschiedete.
    Kropf seufzte und kletterte steifbeinig auf den Bock. Die vielen Prellungen und Verletzungen der letzten Tage machten es ihm schwer. Beck blieb daneben stehen. Er hielt den Vater der Schwerter mit beiden Händen und hatte die Scheide mit der Spitze auf den Boden gestützt. »Ich muss einen Schild für den Schwarzen Dow halten«, sagte er. »Ich. Hast du so etwas schon einmal gemacht?«
    »Mehr als einmal. Da ist nichts dabei. Du musst einfach nur den Kreis halten und dafür sorgen, dass niemand ihn verlässt. Halte zu deinem Häuptling. Tu das Rechte, genau wie gestern.«
    »Gestern«, murmelte Beck und starrte auf das Wagenrad, als ob er direkt durch den Boden sehen konnte und ihm nicht gefiel, was auf der anderen Seite lag. »Ich habe dir gestern nicht alles erzählt. Ich wollte ja, aber …«
    Kropf wandte den Kopf und sah zu den beiden Körpern unter der Decke. Er war nicht scharf auf Geständnisse; an seinen eigenen Fehlern hatte er bereits genug zu tragen. Aber Beck sprudelte seine Geschichte bereits hervor. Tonlos, leiernd, wie eine Biene, eingesperrt in einem warmen Raum. »Ich habe einen Mann getötet, in Osrung. Aber keinen Unionisten. Einen von uns. Einen Jungen namens

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