Heldenklingen
der Geschichte des Nordens gestorben war.
Calder atmete angespannt ein. »Die Dinge laufen meist nicht so, wie wir es uns vorstellen, was?«
Mit einem leisen Kling tippte Espe gegen sein Metallauge. »Nicht oft.«
»Das Leben ist im Grunde verdammt beschissen.«
»Am besten, man entwickelt gar keine hohen Erwartungen. Dann kann man immer noch angenehm überrascht werden.«
Calders Erwartungen waren zwar in einen tiefen Abgrund gestürzt, aber mit einer angenehmen Überraschung war dennoch nicht zu rechnen. Wenn er an die Zweikämpfe dachte, die der Blutige Neuner für seinen Vater ausgefochten hatte, wurde ihm übel. Das blutgierige Geschrei der Menge. Der Ring aus Schilden, die den Rand des Kreises bildeten. Der Ring grimmiger, namhafter Männer, die sie hielten. Und die dafür sorgten, dass niemand abhauen konnte, bevor nicht genug Blut geflossen war. Er hatte sich nie träumen lassen, selbst in einem Schildkreis zu kämpfen. In einem zu sterben.
»Wer hält die Schilde für mich?«, fragte er leise, vielleicht nur, weil er das Schweigen nicht ertrug.
»Ich habe gehört, dass Schneebleich sich angeboten hat, und auch der alte Hansul Weißauge. Und Caul Reichel.«
»Der konnte wohl auch kaum anders, da ich ja mit seiner Tochter verheiratet bin.«
»Der konnte wohl kaum anders.«
»Wahrscheinlich wollten sie nur deswegen einen Schild, damit sie nicht zu sehr mit meinem Blut bespritzt werden.«
»Wahrscheinlich.«
»Ist eine komische Sache mit diesem herumspritzenden Blut. Nervig für alle, die es trifft, und ein schwerer Verlust für die, aus denen es herauskommt. Gibt es denn gar keine gute Seite am Gemetzel? Sag mir das doch mal.«
Espe zuckte die Achseln. Calder stemmte die Handgelenke gegen seine Fesseln, damit der Blutfluss seiner Finger nicht gänzlich abgeschnürt wurde. Er wollte doch sein Schwert zumindest lange genug in der Hand halten können, um mit der Waffe in der Hand zu sterben. »Hast du einen Rat für mich?«
»Einen Rat?«
»Ja, du bist doch ein großer Kämpfer.«
»Wenn du eine Möglichkeit siehst, zögere nicht.« Espe sah grimmig auf den Rubinring an seinem kleinen Finger. »Großmut und Feigheit sind dasselbe.«
»Mein Vater hat immer gesagt, dass nichts so sehr von Macht zeugt wie Großmut.«
»Aber nicht im Schildkreis.« Espe stand auf.
Calder hielt die Handgelenke hoch. »Ist es so weit?«
Das Messer spiegelte das helle Rot des Morgengrauens, als es schnell hervorglitt und den Strick durchtrennte. »Es ist so weit.«
»Wir warten einfach nur?«, fragte Beck.
Herrlich wandte ihm ihr finsteres Gesicht zu. »Es sei denn, du möchtest da drüben gern ein Tänzchen aufführen, um die Leute ein wenig in Stimmung zu bringen.«
Das wollte Beck lieber nicht. Der Kreis aus glatt gezogener Erde in der Mitte der Helden wirkte wie ein sehr einsamer Ort. Sehr nackt und sehr leer, während sich außerhalb der Markierung, die man mit Kieselsteinen gelegt hatte, die Leute drängten. Es war ein Kreis wie jener, in dem sein Vater gegen den Blutigen Neuner gekämpft hatte. Und dort gestorben war, auf schrecklichste Weise.
Viele der großen Namen im Norden hielten die Schilde bei diesem Kampf. Neben den letzten Mannen aus Kropfs Dutzend standen Brodd Zehnweg, Cairm Eisenkopf, Glama Golding und viele ihrer Carls auf Dows Seite.
Caul Reichel stand auf der anderen, zusammen mit ein paar weiteren Altgedienten, die alle nicht besonders glücklich wirkten. Es wäre eine traurige Versammlung gewesen, verglichen mit Dows Getreuen, hätte sich nicht der größte Kerl zu ihnen gesellt, den Beck je gesehen hatte, ein Mann, der alle anderen überragte wie ein hoher Berg seine Vorgebirge.
»Wer ist denn dieses Ungeheuer?«, raunte er.
»Fremder-klopf -an «, flüsterte Flut zurück. »Der Häuptling aller Lande östlich der Crinna. Das sind verdammte Wilde, die dort leben, und ich habe gehört, er sei der Schlimmste.«
Die Männer, die hinter dem Riesen standen, waren in der Tat ein wilder Haufen. Sie hatten wirres Haar, hatten sich kleine Knochenstückchen als Schmuck durch die Haut gebohrt und sich Körper und Gesicht bemalt, trugen Totenschädel und Lumpen. Wilde, die aussahen, als seien sie geradewegs einem alten Lied entsprungen wie dem von Schubal dem Rad, der die Tochter dieses, dieses … Felsenkönigs stahl. Wie ging das gleich noch?
»Hier kommen sie«, brummte Yon. Abfälliges Raunen, ein paar scharfe Worte, aber vor allem herrschte Schweigen. Die Männer auf der anderen Seite des
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