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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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sah auf und lächelte. »Viel Glück, Kropf.«
    »Joh«, sagte Kropf und ging nach draußen, schloss die Tür hinter sich und stieß einen langen Seufzer der Erleichterung aus. Ein paar Worte, und damit war es getan. Manchmal erscheint etwas wie ein unmöglich großer Sprung, aber wenn man es versucht, merkt man plötzlich, dass eigentlich nur ein ganz kleiner Schritt nötig ist. Espe stand immer noch an derselben Stelle wie vorhin, die Arme vor der Brust verschränkt. Kropf klopfte ihm auf die Schulter. »Jetzt bist du wohl an der Reihe.«
    »Meinst du?« Jemand anders trat ins Licht der Fackeln, mit einer langen Narbe, die sich durch das kurzgeschorene Haar zog.
    »Herrlich«, raunte Kropf.
    »Hey, hey«, sagte sie. Zwar war es eine Überraschung, sie hier anzutreffen, aber das sparte ihm Zeit. Mit ihr hatte er als Nächstes reden wollen.
    »Wie geht’s dem Dutzend?«, fragte er.
    »Allen vieren geht es gut.«
    Kropf verzog das Gesicht. »Joh. Tja, also. Ich muss dir etwas sagen.« Sie hob eine Braue und sah ihn an. Jetzt musste er noch einmal springen. »Ich bin fertig. Ich steige aus.«
    »Weiß ich schon.«
    »Weißt du schon?«
    »Sonst könnte ich ja wohl nicht deinen Platz einnehmen, oder?«
    »Meinen Platz?«
    »Als Dows Stellvertreter.«
    Kropf riss die Augen auf. Er sah Herrlich an, dann wanderte sein Blick zu Espe, dann wieder zu ihr. »Du?«
    »Wieso nicht?«
    »Na ja, ich dachte einfach …«
    »Wenn du aussteigst, würde auch für uns andere morgens die Sonne nicht mehr aufgehen? Tut mir leid, wenn ich dich da enttäuschen muss.«
    »Aber was ist mit deinem Mann? Deinen Söhnen? Ich dachte, du wolltest …«
    »Das letzte Mal, dass ich auf ihrem Hof war, ist vier Jahre her.« Sie warf den Kopf zurück, und Kropf sah plötzlich eine Härte in ihren Augen, die er nicht von ihr gewohnt war. »Sie waren verschwunden. Keine Ahnung, wohin.«
    »Aber du bist doch letzten Monat erst wieder nach Hause gegangen.«
    »Ich bin einen Tag durch die Gegend gelaufen, habe mich an den Fluss gesetzt und geangelt. Dann bin ich zum Dutzend zurückgekehrt. Konnte es euch einfach nicht sagen. Wollte euer Mitleid nicht. Das hier ist alles, was es für unseresgleichen gibt. Das wirst du auch noch feststellen.« Sie nahm seine Hand und drückte sie, aber seine blieb schlaff. »Es war eine Ehre, an deiner Seite zu kämpfen, Kropf. Pass auf dich auf.« Sie schob sich durch die Tür, zog sie hinter sich mit einem Krachen zu und ließ ihn stehen. Kropf sah blinzelnd auf das stumme Holz.
    »Da glaubt man jemanden zu kennen, und plötzlich …« Espe schnalzte mit der Zunge. »Niemand kennt einen anderen. Jedenfalls nicht so richtig.«
    Kropf schluckte. »Das Leben ist voller Überraschungen, das steht mal fest.« Er wandte der Hütte den Rücken zu und trat in die Dunkelheit.
    Er hatte oft von dem großen Abschiednehmen geträumt. Wie er zwischen zwei Reihen namhafter Männer dahinschritt, einer strahlenden Zukunft entgegen, und seine Schultern vom vielen Klopfen schmerzten. Wie er unter dem Spalier gezogener Schwerter hindurchging, die hell in der Sonne funkelten. Und wie er dann davonritt, die Faust zum Gruß erhoben, während die Carls ihn bejubelten und die Frauen weinten, weil er ging, wobei völlig unklar war, wieso überhaupt Frauen da sein sollten.
    Und nun stahl er sich in der kühlen Dämmerung davon, als langsam der Morgen graute, ohne große Worte und ohne allzu viele Erinnerungen zu hinterlassen. Aber gerade weil es eben im richtigen Leben so ist, brauchen die Menschen Tagträume.
    Fast jeder, der einen Namen hatte, den es zu kennen lohnte, war oben auf dem Heldenberg und wartete darauf, Calder beim Sterben zuzusehen. Nur Yon Fröhlich, Zehenspitzen-Scorry und Flut waren da, um Kropf zu verabschieden. Die letzten Reste seines Dutzends. Und Beck, mit dunklen Schatten unter den Augen und dem Vater der Schwerter in einer blassen Faust. Kropf sah ihnen an, wie verletzt sie waren, auch wenn sie versuchten, das mit einem Lächeln zu überdecken. Als ob er sie im Stich ließ. Vielleicht tat er das auch.
    Er war immer stolz darauf gewesen, dass er beliebt war. Aufrecht und ehrlich und all das. Dennoch war die Zahl seiner toten Freunde schon seit langem größer als die seiner lebenden, ein Verhältnis, das sich in den letzten Tagen noch einmal entscheidend zu seinen Ungunsten verschoben hatte. Drei Freunde, die ihm vielleicht den herzlichsten Abschied bereitet hätten, wurden nun oben auf diesem Berg wieder zu Schlamm, und

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