Heldenklingen
nicht ansehen konnte. Dass er auf den Boden starrte und nichts sagte. »So, wie’s aussieht, wirst du also nicht hierbleiben, um einen Schild für mich zu halten?«
»Ich hab gesagt, ich bleibe, bis die Schlacht vorüber ist.«
»Hast du gesagt.«
»Die Schlacht ist vorbei.«
»Die Schlacht ist nie vorbei, Kropf, das weißt du.« Dow beobachtete ihn, das Gesicht halb im Licht, das andere Auge nur ein leichter Schimmer in der Düsternis, und Kropf fing an, sich zu rechtfertigen, obwohl er dazu gar nicht aufgefordert worden war.
»Es gibt bessere Männer für diese Aufgabe. Jüngere. Männer mit besseren Knien und stärkeren Armen und härteren Namen.« Dow hielt weiter die Augen auf ihn gerichtet. »In den letzten Tagen habe ich eine Menge Freunde verloren. Zu viele. Whirrun ist tot. Brack ist nicht mehr da.« Er bemühte sich verzweifelt, nicht auch noch mit dem Rest herauszuplatzen: dass er den Anblick nicht ertragen würde, wenn Dow Calder im Schildkreis erschlug. Dass sein Verständnis von Treue das nicht aushalten würde. »Die Zeiten haben sich geändert. Männer vom Schlage Goldings und Eisenkopfs, die bringen mir nicht besonders viel Achtung entgegen, und ich ihnen noch weniger. Das sind alles solche Sachen, und … und …«
»Und du hast genug«, sagte Dow.
Kropf ließ die Schultern hängen. Es tat ihm weh, das zuzugeben, aber das fasste seine Gefühle ziemlich gut zusammen. »Ich habe genug.« Nun musste er die Zähne zusammenbeißen und die Lippen hochziehen, um die Tränen zurückzuhalten. Als ob durch das Aussprechen dieser Tatsache plötzlich alles über ihn hereinbrach. Whirrun und Drofd und Brack und Athroc und Agrick und all die anderen. Eine anklagende, lange Reihe von Toten, die sich bis in die dunklen Ecken seines Erinnerungsvermögens zog. Eine Reihe von Schlachten, in denen er gefochten, gewonnen und verloren hatte. Eine Reihe von Entscheidungen, richtigen und falschen, allesamt eine Last auf seinen Schultern.
Dow nickte nur und schob das Schwert mit ruhiger Hand wieder in die Scheide. »Wir haben alle unsere Grenzen. Ein Mann mit deiner Erfahrung muss sich nicht dafür schämen. Niemals.«
Kropf biss die Zähne zusammen, schluckte die Tränen hinunter und fand irgendwie doch noch ein paar trockene Worte. »Denke, du wirst sicherlich bald jemanden finden, der diese Aufgabe übernehmen kann … «
»Hab ich schon.« Dow machte eine Kopfbewegung zur Tür. »Steht schon draußen.«
»Gut.« Kropf vermutete, dass Espe der Sache gewachsen war, vermutlich besser als er. Seiner Meinung nach war der Mann gar nicht so weit davon entfernt, auf den rechten Weg zurückzufinden, wie die Leute glaubten.
»Hier.« Dow warf etwas zu ihm herüber, und Kropf fing es auf. Ein Beutel, in dem Münzen klimperten. »Ein doppelter Gulden und ein bisschen mehr. Damit du dir da draußen irgendwo was aufbauen kannst.«
»Danke, Häuptling«, sagte Kropf und meinte das auch so. Er hatte eher ein Messer im Rücken erwartet als Geld in der Hand.
Dow stellte sein Schwert mit der Spitze auf den Boden. »Was willst du jetzt machen?«
»Früher war ich Zimmermann. Vor verdammten tausend Jahren ungefähr. Aber vielleicht fange ich wieder damit an. Arbeite ein bisschen mit Holz. Vielleicht schreinert man gelegentlich mal einen Sarg, aber in dem Geschäft muss man nicht dauernd seine Freunde beerdigen.«
»Hm.« Dow drehte den Knauf gedankenverloren zwischen Finger und Daumen, und das Ende der Scheide bohrte sich in den festgestampften Lehmboden. »Meine habe ich schon alle begraben. Außer denen, die ich mir zu Feinden gemacht habe. Aber das wartet am Ende des Weges wohl auf jeden Kämpfer, was?«
»Wenn du weit genug gehst.« Kropf blieb noch kurz stehen, aber Dow antwortete nicht. Und so holte er noch einmal Luft und wandte sich um.
»Bei mir waren es Krüge und Schüsseln.«
Kropf hielt inne, die Hand auf der Klinke, und die Härchen in seinem Nacken richteten sich auf. Aber der Schwarze Dow stand nur da und sah auf seine Hand. Seine vernarbte, schrundige und schwielige Hand.
»Ich war bei einem Töpfer in der Lehre.« Dow schnaubte. »Vor verdammten tausend Jahren ungefähr. Dann kamen die Kriege und ich nahm stattdessen das Schwert. Dachte immer, eines Tages würde ich zurückgehen, aber … dann kommt eins zum anderen.« Er kniff die Augen leicht zusammen und rieb sanft mit dem Daumen über seine Fingerspitzen. »Der Ton … hat meine Hände … immer so weich gemacht. Stell dir das bloß mal vor.« Er
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