Heldenklingen
die Scheide kurz unsicher hin und her und hielt sie wieder Schneebleich hin. Wahrscheinlich würde er sie nie wieder brauchen. Aus dieser Lage konnte er sich nicht mehr herausreden. Manchmal muss man eben doch kämpfen. Er holte tief Luft und trat einen Schritt vor, und seine ausgetretenen styrischen Stiefel sanken in den Matsch des Kreises. Der Schritt über die Kieselmarkierung war nur ein kleiner, aber dennoch der schwerste, den er je getan hatte.
Dow reckte den Kopf erst zur einen, dann zur anderen Seite, dann zog er mit leisem Klang ganz gemächlich die eigene Klinge. »Das war das Schwert des Blutigen Neuners. Ich habe ihn geschlagen, Mann gegen Mann. Das weißt du. Du warst dabei. Was glaubst du also, wie deine verdammten Chancen stehen?« Nicht besonders gut, dachte Calder bei dem Blick auf die lange, graue Klinge. »Habe ich dich nicht gewarnt? Falls du versuchen solltest, dein eigenes Spielchen zu spielen, dann würden die Dinge ziemlich hässlich werden.« Dows harter Blick glitt über die Gesichter im Schildkreis. Hübsch waren die wirklich nicht zu nennen. »Aber du musstest ja Frieden predigen. Musstest deine kleinen Lügen verbreiten. Musst…«
»Halt doch die verdammte Schnauze und leg endlich los !«, schrie Calder. »Du langweiliger alter Sack!«
Ein Raunen ging durch die Menge, dann erstes Auflachen, noch mehr Gelächter und schließlich lautes, scheußlich furchterregendes Metallgerassel. Dow zuckte die Achseln und trat nun auch vor.
Unter Scheppern und Klappern drängten nun alle Männer weiter nach innen, bis die Ränder ihrer Schilde aneinanderschabten, sich verkeilten. Sie einschlossen. Eine runde Mauer aus leuchtend bemaltem Holz. Grünen Bäumen, Drachenköpfen, fließenden Bächen, fliegenden Adlern, einige vernarbt und zerkratzt von den Kämpfen der letzten Tage. Ein Ring hungriger Gesichter, grinsend, zähnefletschend, mit erwartungsvollen Blicken. Nur Calder und der Schwarze Dow und keine andere Möglichkeit, hier herauszukommen, als durch Blut.
Calder hätte vielleicht darüber nachdenken sollen, wie er seinem Schicksal trotzen und diesen Kampf überleben konnte. Eröffnungsschläge, Stöße oder Finten, Beinarbeit, das ganze Programm. Denn immerhin hatte er doch eine Chance, oder nicht? Wenn zwei Männer gegeneinander antreten, besteht immer eine Chance. Aber er konnte an nichts anderes denken als an Seffs Gesicht, und wie schön es war. Er wünschte sich, er hätte es noch ein einziges Mal sehen können. Ihr sagen können, dass er sie liebte, dass sie sich keine Sorgen machen sollte, dass sie ihn vergessen und ihr eigenes Leben führen sollte oder irgend so einen sinnlosen Scheiß. Sein Vater hatte ihm immer gesagt: »Du merkst erst, aus welchem Holz ein Mann wirklich gemacht ist, wenn er dem Tod gegenübersteht.« So wie es aussah, war er ein sentimentaler, kleiner Scheißer. Vielleicht sind letztlich alle Menschen so.
Calder hob sein Schwert und streckte die geöffnete Hand aus, eine Haltung, an die er sich aus den lang zurückliegenden Unterrichtsstunden zu erinnern glaubte. Er musste angreifen. Das hätte Scale gesagt. Wenn du nicht angreifst, verlierst du. Erst zu spät merkte er, dass seine Hand zitterte.
Dow sah ihn von oben bis unten an, hielt die eigene Klinge locker gesenkt und lachte schnaubend auf. »Wahrscheinlich ist es nicht jeder Zweikampf wert, dass man ihn in einem Lied besingt.« Und er sprang vor und schlug überraschend aus dem Handgelenk zu.
Dabei hätte es Calder natürlich nicht überraschen sollen, dass ein Schwert in seine Richtung zuckte, darum ging es schließlich bei einem Zweikampf. Aber trotzdem war er erbärmlich unvorbereitet. Hastig machte er einen Schritt zurück, aber Dows Schwert traf trotzdem mit hartem Schlag gegen sein eigenes, riss ihm die Waffe beinahe aus der Hand, so dass sie zur Seite gedrückt wurde und er ins Stolpern kam. Unwillkürlich streckte er den anderen Arm aus, um das Gleichgewicht zu halten, und alle Gedanken an einen eigenen Angriff wurden verdrängt von dem überwältigenden Wunsch, nur noch einen Augenblick länger zu überleben.
Glücklicherweise stützte Hansul Weißauges Schild seinen Rücken und ersparte ihm ein würdeloses Schlammbad, richtete ihn schnell genug wieder auf, um eilig auszuweichen, als Dow den nächsten Ausfall machte. Sein Schwert traf Calders mit lautem Krachen und drehte ihm das Handgelenk zur Seite. Lauter Beifall brandete auf. Calder stolperte zurück, von kalter Angst gepackt, und versuchte
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