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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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vorzutragen pflegte.
    »Jungs, vor euch steht der berühmte Korporal Tunny, einer der ältesten altgedienten Unteroffiziere in General Felniggs Division.« Tunny stieß einen langen Seufzer aus, der aus tiefstem Herzen kam. »Ein Veteran des Aufstands in Starikland, des Gurkhisenkriegs, des letzten Nordlandkriegs, der Belagerung von Adua, dieser gegenwärtigen Unannehmlichkeit und zahlreichen soldatischen Unternehmungen zu Friedenszeiten, die einen helleren Kopf zu Tode gelangweilt hätten.« Tunny schraubte Dotters Flachmann auf, nahm einen kräftigen Schluck und reichte ihn dann an ihren früheren Besitzer weiter, der ihn achselzuckend nahm und selbst an die Lippen setzte. »Er hat vieles überlebt, Dünnpfiff, Wundbrand, laufenden Rotz, Herbstfrösteln, die Liebkosungen der Winde im Norden, die Knüffe der Mädchen im Süden, Tausendmeilenmärsche, über viele Jahre auch die Rationen im Heer Seiner Majestät und sogar ein paar Kämpfe. Und nun steht – oder vielmehr hängt – er vor euch …«
    Tunny schob einen abgeschabten Stiefel über den anderen, lehnte sich langsam in seiner Hängematte zurück und schloss die Augen, und die Sonne drang in leuchtendem Rosa durch seine Lider.

ALTE GESICHTER
    D ie Sonne ging schon beinahe unter, als er wieder zurückkehrte. Mückenschwärme spielten über dem moorigen kleinen Bach, die allmählich gelb werdenden Blätter warfen einen fleckigen Schatten auf den Pfad, Äste wiegten sich im Wind und beugten sich tief genug herab, dass er den Kopf einziehen musste.
    Das Haus sah kleiner aus, als er es in Erinnerung hatte. Es wirkte klein, aber dennoch schön. So schön, dass er am liebsten geheult hätte. Die Tür knarrte, als er sie weit aufstieß, und beinahe fühlte er genauso viel Furcht wie in Osrung. Es war niemand da. Nur die vertraute Düsternis mit ihrem leichten Rauchgeruch. Seine Schlafstelle hatte man beiseitegeräumt, um mehr Platz zu haben, und schmale Streifen blassen Sonnenlichts fielen über die Dielen, wo sie zuvor gestanden hatte.
    Niemand da. Ein bitterer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus. Was, wenn sie alle ihre Sachen gepackt und gegangen waren? Oder wenn Männer hier vorbeigekommen waren, während er nicht da war, Fahnenflüchtige, die marodierend über Land zogen …
    Doch dann hörte er das sanfte Klock einer Axt, die Feuerholz spaltete. Er duckte sich unter der Tür hindurch in die Abendluft, lief am Pferch vorbei, an den erschreckten Ziegen und an den fünf großen Baumstümpfen, die er über die Jahre hinweg mit seinen Schwertstreichen zernarbt hatte. Inzwischen wusste er, dass der Kampf mit einem Baum keine gute Vorbereitung darauf war, wirklich auf einen Menschen einzustechen.
    Seine Mutter stand ein Stück weiter oberhalb am Hang beim Hauklotz, stützte sich auf die Axt und streckte ihren Rücken durch, während Festen die gespaltenen Scheite aufsammelte und sie auf den Haufen zu den anderen warf. Kurz stand Beck da und sah ihnen zu. Beobachtete, wie der Wind mit dem Haar seiner Mutter spielte. Beobachtete den Jungen, der sich mit den Holzscheiten abmühte.
    »Mutter«, rief er rau.
    Sie wandte sich um und blinzelte kurz. »Du bist wieder da.«
    »Ja.«
    Er ging zu ihr hinauf, und sie schlug die Axt leicht in den Hauklotz, bis sie steckenblieb, und kam ihm entgegen. Obwohl sie so viel kleiner war als er, drückte sie noch immer seinen Kopf gegen ihre Schulter. Hielt ihn mit einer Hand und presste ihn an sich, schlang den anderen Arm um ihn und drückte ihn so sehr, dass ihm das Atmen schwer wurde.
    »Mein Sohn«, flüsterte sie.
    Er löste sich aus ihrer Umarmung, drängte die Tränen zurück und sah an sich herunter. Blickte auf seinen, nein, auf ihren Mantel und sah, wie verdreckt, blutig und zerrissen er war. »Es tut mir leid. Deinen guten Mantel habe ich dir wohl versaut.«
    Sie strich ihm übers Gesicht. »Ist doch nur ein Stück Tuch.«
    »Das stimmt wohl.« Er ging in die Hocke und zerstrubbelte Festen das Haar. »Geht’s dir gut?« Es gelang ihm kaum, das Zittern aus seiner Stimme zu verbannen.
    »Klar geht’s mir gut!« Der Junge schlug Becks Hand von seinem Kopf weg. »Hast du dir einen Namen gemacht?«
    Beck hielt kurz inne. »Ja.«
    »Und was für einen?«
    Beck schüttelte den Kopf. »Spielt keine Rolle. Wie geht’s Wenden?«
    »Immer noch unverändert«, antwortete Becks Mutter. »Du warst doch nur ein paar Tage weg.«
    Daran hatte er nicht gedacht. Ihm war, als sei es Jahre her, dass er zuletzt hier gewesen war. »Ich

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