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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Tunny, Standartenträger des Ersten Regiments Seiner Majestät.
    Tunny seufzte, knickte den Brief mit großer Sorgfalt und strich zweimal mit dem Daumennagel über den Falz. Vielleicht würde es der schlimmste Brief sein, den diese arme Frau je erhielt, und da schuldete er es ihr, zumindest einen vernünftigen Knick in das verdammte Ding zu machen. Er steckte es in seine Jacke zu dem Schreiben an Frau Klige, schraubte Dotters Flachmann auf und nahm einen kleinen Schluck, dann tauchte er die Feder noch einmal ins Tintenfass und begann mit dem nächsten.
    Sehr geehrte Frau Lederlingen,
    mit dem größten Bedauern muss ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass Ihr Sohn auf dem Feld der Eh…
    »Korporal Tunny!« Dotter kam zu ihm herübergeschlendert, mit einem selbstbewussten Gang, irgendwo zwischen einem Zuhälter und einem Hafenarbeiter lag. Seine Stiefel waren schlammverkrustet, seine fleckige Jacke klaffte weit auf und zeigte einen Streifen schweißfeuchter Haut, sein sonnenverbranntes Gesicht zierte ein ungleichmäßiger Mehrtagebart, und statt einem Speer trug er eine Schaufel über der Schulter. Kurz gesagt, er sah so richtig aus wie ein stolzer Altgedienter im Heer Seiner Erhabenen Majestät. Kurz vor Tunnys Hängematte blieb er stehen und warf einen Blick auf dessen Papiere. »Rechnen Sie sich gerade aus, was Sie noch an Außenständen haben?«
    »Es geht mehr um das, was ich anderen schuldig bin.« Tunny bezweifelte, dass Dotter lesen konnte, aber er schob trotzdem ein leeres Blatt über den angefangenen Brief. Wenn bekannt wurde, was er hier trieb, konnte das seinen Ruf ernsthaft beschädigen. »Alles in Ordnung?«
    »Einigermaßen«, sagte Dotter, der nun die Schaufel absetzte. Trotz seiner guten Laune wirkte er doch ein wenig nachdenklich. »Der Oberst hat uns ein paar Leute begraben lassen.«
    »Hm.« Tunny drückte den Stopfen auf das Tintenfass. Er hatte seinerzeit auch schon jede Menge Leute begraben dürfen; das war nie ein besonders beliebter Dienst. »Nach einer Schlacht gibt es immer jede Menge aufzuräumen. Jede Menge Ordnung zu schaffen, hier und in der Heimat. Oft dauert es Jahre, Dinge wieder ins Lot zu bringen, die man in nur einem oder zwei Tagen ruiniert hat.« Er wischte seine Feder an einem Lappen ab. »Manchmal gelingt das nie.«
    »Wieso macht man es denn dann?«, fragte Dotter, der über das sonnenbeschienene Kornfeld zu den Hügeln hinüber blinzelte, die in leichtem Dunst lagen. »Ich meine, wir haben uns hier so schwergetan, es gab so viele Tote, und was haben wir erreicht?«
    Tunny kratzte sich am Kopf. Er hatte Dotter nicht gerade für einen Philosophen gehalten, aber vermutlich hatte jeder Mensch seine nachdenklichen Augenblicke. »Kriege verändern meist nicht viel, jedenfalls nicht nach meiner beträchtlichen Erfahrung. Ein bisschen hier, ein bisschen da, aber insgesamt müssten die Menschen längst bessere Möglichkeiten gefunden haben, um strittige Fragen zu klären.« Er dachte einen Augenblick nach. »Könige und Edelleute, der Geschlossene Rat und so … ich habe nie richtig verstanden, wieso sie damit weitermachen, wo doch die Geschichte zeigt, dass das gar keine so gute Idee ist. Kriege sind eine verdammt ungemütliche Angelegenheit ohne allzu große Aussicht auf Erfolge, und die Soldaten leiden dabei stets am meisten.«
    »Wieso wird man dann überhaupt Soldat?«
    Einen Augenblick war Tunny um eine Antwort verlegen. Dann zuckte er die Achseln. »Ist doch der beste Beruf der Welt, oder nicht?«
    Einige Soldaten führten ein paar Pferde gemächlich den schmalen Pfad in ihrer Nähe entlang. Einer löste sich von der Gruppe und schlenderte zu ihnen herüber. Es war Oberfeldwebel Forest, der einen Apfel kaute und breit grinste.
    »Oh, verdammt noch eins«, brummte Tunny unterdrückt, packte hastig die letzten Zeugnisse seiner Briefeschreiberei beiseite und warf den Schild, auf den er sich dabei gestützt hatte, unter seine Hängematte.
    »Was ist denn?«, flüsterte Dotter.
    »Wenn Oberfeldwebel Forest so grinst, dann bringt er meistens keine guten Nachrichten.«
    »Wann gibt es denn mal gute?«
    Ein berechtigter Einwand, wie Tunny zugeben musste.
    »Korporal Tunny!« Forest hatte seinen Apfel abgenagt und warf das Kerngehäuse mit einer schlenkernden Handbewegung weg. »Sie sind ja wach.«
    »Leider, Herr Feldwebel, leider. Gibt es etwas Neues von unseren geschätzten Befehlshabern?«
    »Ein bisschen.« Forest deutete mit dem Daumen zu den Pferden. »Sie werden sich freuen zu

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