Heldenklingen
der Stelle zu töten.
»Nein, nein, nein!« Calder packte Scales Handgelenk mit beiden Händen, konnte verhindern, dass die Klinge aus der Scheide fuhr, und wurde dabei beinahe umgeworfen.
»Der soll verflucht sein!« Scale schüttelte Calder ab, schlug mit der behandschuhten Faust gegen den nächsten Baum und riss ein Stückchen Borke heraus. »Der soll bis in die Ewigkeit verflucht sein! Bringen wir ihn um! Bringen wir ihn einfach um!« Wieder schlug er zu, und nun regneten kleine Blütenstände aus der Baumkrone herab. Weißauge Hansul beobachtete ihn mit Vorsicht, Schneebleich wirkte eher müde, aber beiden war deutlich anzusehen, dass es nicht der erste derartige Wutausbruch war, den sie miterlebten.
»Wir können nicht durch die Gegend laufen und wichtige Leute töten«, versuchte es Calder und hob beschwichtigend die Hände in die Luft.
»Er hat versucht, dich umzubringen, oder nicht?«
»Ich bin ein Sonderfall. Der halbe Norden will mich tot sehen.« Das war eine Lüge, die korrekte Zahl lag eher bei drei Viertel. »Und wir haben keine Beweise.« Calder legte Scale die Hand auf die Schulter und sprach ganz ruhig, so wie sein Vater es immer getan hatte. »Das ist Politik, Bruderherz. Du weißt doch? Da gilt es, ein empfindliches Gleichgewicht zu halten.«
»Scheiß auf die Politik und scheiß auf das Gleichgewicht!« Aber Scales Wut war inzwischen verraucht. Jedenfalls so weit, dass keine unmittelbare Gefahr mehr bestand, ihm könnten die Augen aus dem Kopf quellen. Er stieß sein Schwert wieder zurück, so dass die Parierstange hart gegen den Rand der Scheide stieß. »Können wir nicht einfach kämpfen?«
Calder holte tief Luft. Wie konnte dieser unvernünftige Schlagetot der Sohn seines Vaters sein? Und noch dazu dessen Erbe? »Die Zeit zum Kämpfen wird noch kommen, aber jetzt müssen wir vorsichtig sein. Wir haben nur wenige Verbündete, Scale. Ich habe mit Reichel gesprochen, und er wird zumindest nicht gegen mich ziehen, aber mich auch nicht verteidigen.«
»Verdammter, beschissener Feigling!« Scale hob erneut die Faust, um auf den Baum einzuschlagen, und Calder zog sie sanft mit einem Finger wieder nach unten.
»Er macht sich nur Sorgen um seine Tochter.« Und damit stand er nicht allein. »Dann sind da noch Eisenkopf und Golding, und beide sind nicht besonders gut auf uns zu sprechen. Wenn sie sich nicht ständig gegenseitig in den Haaren liegen würden, vermute ich mal, hätten sie Dow schon längst darum angebettelt, mich töten zu dürfen.«
Scale runzelte die Stirn. »Du meinst, Dow steckt dahinter?«
»Wie könnte es anders sein?« Calder musste seine Enttäuschung niederringen, und dabei wurde er unwillkürlich leiser. Er hatte vergessen, dass sich Gespräche mit seinem Bruder streckenweise so anfühlten, als würde man sich mit einem Baumstumpf unterhalten. »Jedenfalls hat Reichel es von Dow persönlich gehört, dass er meinen Tod will.«
Scale schüttelte beunruhigt den Kopf. »Davon weiß ich nichts.«
»Dir hätte er das wohl auch nicht erzählt, oder?«
»Aber er hatte dich doch als Geisel.« Scales Stirn war immer noch von der Anstrengung des Denkens gefurcht. »Wieso hat er dich dann wieder freigelassen?«
»Weil er hofft, dass ich anfange, Ränke zu schmieden. Dann kann er die aufdecken und mich ganz sauber und ordentlich aufhängen.«
»Nun, schmiede keine Ränke, dann gibt’s doch auch kein Problem.«
»Sei doch nicht so blöd .« Einige Carls sahen von ihren Wasserbechern auf, und er senkte seine Stimme wieder. Scale konnte es sich leisten, laut zu werden, Calder nicht. »Wir müssen uns schützen. Wir haben überall Feinde.«
»Das stimmt, und einen Feind gibt es, von dem du noch gar nichts gesagt hast. Ich meine, es ist sogar der gefährlichste von allen.« Calder erstarrte kurz und dachte darüber nach, wen er bei seiner Aufzählung vergessen haben konnte. »Die Scheiß-Union!« Scale deutete mit einem dicken Finger in südliche Richtung zwischen die Bäume. »Kroy und der Hundsmann und ihre vierzigtausend Soldaten! Gegen die wir schon einen Krieg geführt haben! Ich zumindest.«
»Das ist Dows Krieg, nicht meiner.«
Scale schüttelte den Kopf. »Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass es der leichtere, billigere, sicherere Weg sein könnte, einfach zu tun, was man dir sagt?«
»Doch, das ist mir durchaus schon eingefallen, aber ich habe mich dagegen entschieden. Was wir brauchen …«
»Hör mir zu.« Scale kam näher und sah ihm direkt ins Gesicht. »Uns
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