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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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um seine Meinung zu bitten. Fast hatte er schon den Mund geöffnet, dann erinnerte er sich wieder daran, dass sein Stellvertreter von einem Verrückten mit einem Metallauge abgeschlachtet worden war.
    Er hörte Stimmen. Männer bahnten sich ihren Weg durch die Bäume, und er verkroch sich hinter dem nächsten Baum, um dann wie ein ängstliches Kind über die Bettdecke am Stamm vorbei zu schielen. Unionssoldaten. Ihn überkam ein Schauer der Erleichterung, er stolperte aus seinem Versteck und winkte mit dem Arm.
    »Sie da! Männer!«
    Sie fuhren herum, nahmen aber mitnichten Haltung an. Stattdessen starrten sie ihn an wie einen frisch aus dem Grab gestiegenen Geist. Eigentlich hatte er gedacht, er würde ihre Gesichter erkennen, aber ganz offensichtlich hatten sie sich von den diszipliniertesten Soldaten des ganzen Heeres in zitternde, dreckverschmierte Tiere verwandelt. Nie zuvor hatte Wetterlant vor den eigenen Leuten Angst gehabt; er war immer ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie gehorchten. Aber nun hatte er keine andere Wahl, als weiterzureden, obwohl seiner Stimme die Angst und die Erschöpfung anzuhören war.
    »Männer der Sechsten! Wir müssen die Stellung halten! Wir müss…«
    »Halten?«, kreischte einer und schlug Wetterlant mit seinem Säbel. Es war kein heftiger Hieb, nur ein kräftiger Schubser, der ihn am Arm erwischte und seitlich einknicken ließ, wobei der Schreck ihm stärker in die Glieder fuhr als der Schmerz. Er zuckte zusammen, als der Soldat seinen Säbel wieder etwas hob, aber dann schrie einer der anderen auf und hastete von dannen, und schnell waren sie alle auf und davon. Wetterlant sah über seine Schulter und entdeckte Gestalten, die sich zwischen den Bäumen bewegten. Hörte Rufe. Es war eine tiefe Stimme, und sie sprach Nordisch.
    Wieder packte ihn die Angst. Wimmernd drängte er sich durch das Dickicht aus Blättern und Zweigen, die schleimigen Überreste einer verfaulten Frucht beschmierten sein Hosenbein, und sein eigener panischer Atem hallte in seinen Ohren. Am Rand des Wäldchens hielt er inne, einen Ärmel gegen den Mund gepresst. An seiner Hand war Blut. Der Anblick des zerfetzten Stoffs an seinem Arm ließ Übelkeit in ihm aufsteigen. War es nur zerfetzter Stoff, oder auch zerfetztes Fleisch?
    Er konnte hier nicht bleiben. Bis zum Fluss würde er es zwar niemals schaffen, aber er konnte hier nicht bleiben. Er musste losstürmen, jetzt. Also brach er aus dem Unterholz hervor und rannte auf die Furt zu. Überall liefen Flüchtende, die meisten ohne Waffen. Verzweifelte, irre Gesichter mit rollenden Augen. Wetterlant sah den Grund für ihr Entsetzen. Reiter. Sie hatten sich über die Felder verteilt und hielten alle auf die Untiefen zu, trieben die flüchtenden Unionisten nach Süden. Mähten sie nieder, zertrampelten sie unter den Hufen ihrer Pferde und ließen dabei ihr Schlachtgeheul über das Tal erklingen. Er lief weiter, weiter, stolperte voran, erhaschte schnell noch einen Blick zurück. Ein Reiter kam auf ihn zu, und er sah das Halbrund seiner Zähne in einem verfilzten Bart aufblitzen.
    Wetterlant versuchte, schneller zu laufen, aber er war einfach zu müde. Seine Lungen brannten, sein Herz hämmerte, sein Atem keuchte, der Horizont glitt wie eine Wippe auf und abwärts bei jedem Schritt, doch die schimmernde Verheißung der Furt kam allmählich näher, allerdings auch der Hufschlag hinter ihm …
    Plötzlich lag er auf der Seite am Boden, und ein unaussprechlicher Schmerz breitete sich von seinem Rücken aus. Auf seiner Brust lastete ein so heftiger Druck, als ob man Steine daraufgetürmt hätte. Es gelang ihm, den Kopf so weit zu bewegen, dass er an sich hinunter sehen konnte. Da schimmerte etwas. Da war etwas Glitzerndes auf seiner Jacke inmitten von all dem Dreck. Wie eine Medaille. Nur, dass er sicherlich keine dafür verdient hatte, dass er geflohen war.
    »Wie blödsinnig«, keuchte er, und die Worte schmeckten wie Blut. Zu seiner Überraschung und zu seinem wachsenden Entsetzen stellte er fest, dass er nicht atmen konnte. Es war alles so schnell gegangen. So unglaublich schnell.
    Sutt Brüchig schleuderte den geborstenen Schaft seines Speers beiseite. Der Rest steckte im Rücken dieses flüchtenden Narren. Er war schnell gelaufen für einen so alten Kerl, aber nicht auch nur annähernd so schnell wie Sutts Pferd, was allerdings auch kein Wunder war. Er riss das alte Schwert heraus, hielt die Zügel in seiner Schildhand und schlug seinem Pferd

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