Heldensabbat
prächtig zueinander. Und ihr bekommt von mir auch ein ganz großes Geschenk – und ein Leben lang den Wein frei Haus. Komm herein, Hans«, setzt sie hinzu und legt den Arm um seine Schultern. »Du bist ein Glückspilz. So ein schönes Mädchen – und so gescheit.« Sie läßt ihn los, zwinkert und reibt den Daumen am Zeigefinger. »Und Geld hat sie auch noch.« Sie merkt, daß ihr Neffe unwillig wird, und lacht ihn aus. »Sei nicht dumm, Hans«, setzt sie listig hinzu und zitiert: »Wer nichts erheirat', nichts ererbt, der bleibt ein Depp, bis daß er sterbt.«
Sie lachen beide, und Faber fällt wieder einmal auf, wie sehr die jüngere Schwester sich von seiner Mutter unterscheidet.
Die resolute Frau hat einen Eigenbau-Bocksbeutel besonderer Qualität bereitgestellt, einen, auf den man garantiert keine Kopfschmerzen bekommt. Daneben steht selbstgebackenes Brot, Wurst vom selbstgeschlachteten Schwein, Butter und weißer Käse von selbstgemolkenen Kühen. Um 10 Uhr morgens ist es vielleicht noch ein bißchen früh für die üppige Vesper, noch dazu, wo Faber versprochen hat, den ganzen Tag in Dettelbach zu verbringen – aber eine Brotzeit kommt in diesem gesegneten Landstrich nie zur Unzeit. Die Franken sind, so sagt man, freßlustig und trinkgewaltig, gottesfürchtig und bienenfleißig. Wenn der junge Pädagoge die appetitlich gedeckte Tafel sieht, ist er ein echter Sohn dieses Landes, der harten Nuß im Maul des bayerischen Löwen.
Bienenfleißig ist zur Stunde auch Bruckmann, der Chef der Politischen Polizei in der 59 Kilometer entfernten Stadt Mainbach. Noch in der Nacht hat er die Aussage des Abiturienten Braubach protokollieren lassen. Ein paar Stunden Zeit läßt der Beamte, der nach oben drängt, den Teilnehmern der Fete im Hain-Café noch, dann geht er umsichtig und zielstrebig an seine Arbeit – viel zu langsam und umständlich, wie Studienprofessor Pfeiffer, der Fanatiker meint. Der Alt-Pg würde Dr. Hans Faber am liebsten sofort verhaften lassen, aber der Kriminaloberkommissar ist vom Fach und der Verdächtige immerhin der voraussichtliche Schwiegersohn einer Stadtgröße. Hauptsturmführer Panofsky, der Bruckmann Rückendeckung geben könnte, ist abwesend, aber an seine Stelle tritt bereitwillig Oberstaatsanwalt Rindsfell, voll engagiert.
Der Mann, der gestern Abend beim Zechgelage so offensichtlich gegen das Heimtückegesetz verstoßen hat, ist kein unbeschriebenes Blatt. Bruckmanns Behörde erschnüffelt und verwaltet die politische Gesinnung einer überschaubaren Stadt.
Den in Ehren verabschiedeten Abiturienten bleibt nicht viel Zeit, ihren Kater auszuschlafen. Schon morgens um 8 Uhr klingelt ein Polizist an der Wohnung der Müllers, holt, zur Bestürzung seiner Mutter, ihren vorlauten Sprößling aus dem Bett und nimmt ihn gleich mit zur Vernehmung in das Alte Rathaus.
»Tut mir leid«, begrüßt ihn Bruckmann auf seine joviale Tour. »Ich hätte Sie gerne nach dieser rauschenden Ballnacht noch etwas länger schlafen lassen. Sie haben sicher einen ziemlichen Haarwurzelkatarrh.«
»Bin verkatert«, erwidert der unfreiwillige Frühaufsteher.
»Aber das ist doch wohl nicht strafbar. Oder haben wir auf dem Nachhauseweg randaliert?«
»Nicht, daß ich wüßte«, versetzt der Kriminalbeamte. »Wer hat denn nun von euch am meisten gepichelt?«
»Alle«, entgegnet Müller II. »Schließlich haben wir alle das Abi geschafft und deshalb jeden Grund zum Feiern gehabt.«
»Zuletzt haben Sie dann den Reporter gespielt, haben Ihre Mitschüler Stefan und Claudia auf die Schippe genommen.«
»Das kann schon sein«, erwidert der Vernommene abwartend.
»Das war so«, korrigiert ihn der Ressortchef mit Nachdruck. »Dann haben Sie sich an Dr. Faber herangemacht und ihn aufgefordert, sich über den Nationalsozialismus auszulassen.«
»So?« entgegnet der Vernommene. »Wie komm' ich denn dazu? Muß ja wirklich voll gewesen sein wie eine Strandhaubitze.«
»Und ihr Klassenleiter«, konstatiert Bruckmann, nicht mehr ganz so freundlich wie zuvor, »hat erwidert, die Bewegung sei die Vollbeschäftigung der Arbeitslosen durch die Arbeitsscheuen – oder so ähnlich.«
Müller II schüttelt den Kopf und schweigt verbissen. Es ist jetzt so still im Raum, daß man Benno Metzger im Vorzimmer bei seinem Eintreffen schimpfen hört: »So eine Scheiße – da holen die mich bleich und übel riechend aus den Federn –«
»Was heißt dich?« erwidert Stefan. »Die halbe 8 c.«
»Das reinste
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