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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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bunter Reihe, tanzen und trinken. Die Drei-Meilen-Zone der Autorität ist durchbrochen. Lehrer wie Schüler freuen sich darüber. Der Hitze und des Bieres Wellen – und des Weines Geister – ziehen dunstig nach oben, bis zu dem übergroßen Führerbild, das auf der Stirnseite schwitzt.
    Der Plattenteller kreist. Die Absolventen hopsen mit den streng rationierten Mitschülerinnen auf dem stumpfen Parkett herum. Tanzlehrer Grenzlein dürfte es nicht sehen. Der Dunst macht durstig und der Durst dunstig.
    Das ausgeleierte Gramola hat es schwer, sich gegen den Lärm durchzusetzen. Der musikalische Parvus setzt sich ans Klavier und hämmert in die Tasten. Klassische Musik ist seine Stärke, aber zur Überraschung seiner Mitschüler spielt er auch die gängigen Gassenhauer fast perfekt: »Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben«, intoniert Parvus, »wo ist meine Braut geblieben?« Er dreht sich um und ruft: »Mitsingen!«
    Jetzt hämmern seine Hände forte. »Achte, neune, zehne«, brüllt der gemischte Chor, »wie ich mich nach ihr sehne.« Sie betrachten ihren Klassenleiter schadenfroh. »Niemand weiß, wie es geschah – plötzlich war sie nicht mehr da.« Alle lachen, aber Faber nimmt die Anspielung gelassen.
    »Damenwahl!« schreit der dicke Metzger mit Stentorstimme.
    Die vier Mädchen starten fast gleichzeitig. Claudia ist die schnellste und angelt sich den Ordinarius. »Darf ich bitten?« fragt sie den Pädagogen.
    Foxtrott. Einen Moment legt die Primanerin wie zufällig die heiße Wange gegen das Gesicht Fabers. Dann sieht sie die verkniffenen Augen Stefans; ihr blonder Kopf zuckt nicht zurück. Sie genießt seine Eifersucht und heizt sie noch an. Die vier Abiturientinnen tragen heute nicht ihre züchtigen Schulkleider, sondern ausgeschnittene, ärmellose Tanzroben, die viel Haut zeigen. Primanerinnen haben sich in junge Damen verwandelt, die ihre Mitschüler auf einmal zu grünen Jungen machen.
    Hans Faber gerät außer Atem, doch nicht außer Obligo.
    »Damenwahl!« ruft der dicke Metzger wieder im offensichtlichen Vorsatz, den Pauker in einen Amoklauf zu hetzen.
    Diesmal ist Susanne an der Reihe. Erika klatscht ab. Als der Pädagoge zu seinem Bocksbeutel zurückkehren will, greift sich ihn auch noch Ingrid.
    »Ich bin richtig froh«, sagt er lachend, »daß ich von euch nur vier in der Klasse hatte.«
    »Aber damit ist es ja noch nicht gelaufen«, droht Ingrid. »Mit einem einzigen Pflichttanz finden wir uns nicht ab.«
    Sie lachen und trinken. Hans Faber spendiert eine Runde. Es wäre gar nicht nötig, denn glückliche Eltern haben ihren erfolgreichen Sprösslingen für den heutigen Abend ein Extrataschengeld bewilligt.
    Die Mädchen haben glänzende Augen. Einer ihrer bescheidenen Mädchenträume geht heute in Erfüllung. Sie sind dem umschwärmten Lehrer näher als je zuvor. Die pechschwarze Susanne zittert beim Tanz mit ihm unmerklich. Die blasse Ingrid hat rote Flecken im Gesicht.
    Die Primanerinnen schweben hingegossen über den Boden, der den Jungen allmählich unter den Füßen verloren geht. Rolf, der sich seit heute Mittag mit seinem künftigen Schwager duzt, tanzt ausgelassen mit der lachenden Erika. »Darf ich dich küssen?« fragt er.
    »Wenn du immer erst fragst, kommst du nie zu was«, erwidert das Mädchen keß.
    Er reißt die Ex-Schülerin an sich. Beim Wechselschritt erwischt er ihre Nase, dann noch ihren Mund, wenn auch nur zur Hälfte.
    »Seit wann so vorwitzig, Rolf?« fragt Erika. »Hast du dich freigeschwommen?«
    »So könnte man es nennen.«
    »Oder zapfst du den Mut aus der Flasche?«
    »Na ja –«, schränkt der junge Bertram ein. »Ein bißchen gepichelt hab' ich schon.«
    »Trink ruhig weiter«, entgegnet Erika belustigt. »Mich stört's nicht.«
    »Eine Runde!« ruft Rolf mit schwerer Zunge. »Eine Runde für alle! Wein. Vom besten! Und keiner mauert!«
    Er fängt einen mehr pädagogischen als verwandtschaftlichen Blick Fabers auf, aber Sibylles Auserwählter ist kein Spielverderber, und im übrigen sind die Achtzehnjährigen seit heute aus seiner Obhut entlassen.
    Stefan Hartwig tanzt mit Claudia. Er steht mehr, als er sich bewegt. »Das Abi haben wir ja geschafft«, sagt er und grinst ein wenig schräg. »Und das andere werden wir jetzt ja wohl auch noch vollbringen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Genug getändelt, Claudia«, raunt er ihr zu. »Jetzt will ich dich. Ganz. Mit Haut und Haar.«
    Sie spürt seine Nägel auf ihrer Haut. »Du tust mir weh«, sagt

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