Heldensabbat
der Pause. »Ich hab' so ein blödes Gefühl, daß uns diese Sandalinskis heute das Fell über die Ohren ziehen.«
»Quatsch nicht so dämlich«, fährt ihn Stefan an. »Wir stürmen jetzt, bis wir umfallen.«
Nach dem Anpfiff läuft zwanzig Minuten lang gar nichts. Auch die Ottonianer ermüden sichtlich, obwohl beide Teams von den Zuschauern ständig angefeuert werden. Dann bricht Tremmler durch, überlistet Benno, den dicken Torwart. Aber der Schiedsrichter annulliert den Treffer als Abseitstor, eine vermutlich richtige Entscheidung.
Dann fällt das Match noch mehr ab. Es sieht aus, als wollten beide Mannschaften für die Verlängerung Kräfte sparen. In dieser langweiligen Phase gelingt Stefan ein Sonntagsschuß: aus 25 Meter Entfernung ein tückischer Aufsetzer. Großmann, der Keeper, fängt ihn nicht präzise. Der Ball rutscht ihm aus den Händen ins Tor. Zwei zu zwei.
Es sieht so aus, als würde es dabei bleiben, auch noch, als der Turnlehrer den rechten Daumen ausstreckt, um anzuzeigen, daß er das Spiel in einer Minute abpfeifen wird. Mit zehn Mann greift die 8 a an. Vielleicht hat man auch den Ottonianern vor dem Kampf gesagt, daß sie gegen Hitlerjungen nicht verlieren dürften. Benno rettet auf der Linie. Dann verfängt sich das Spiel wieder im Mittelfeld. Immer wieder wird Tarzan angespielt, er ist vielleicht der einzige auf dem Platz, für den das Match ein ganz gewöhnliches Fußballspiel ist, um des Sportes willen, denn er ist weder HJ-Angehöriger noch Ottonianer.
Und er ist zornig, weil ihm heute nichts gelingen will. Er umspielt Heinrichsbauer, ist noch 40 Meter vom Tor entfernt, kommt an dem Stopper vorbei, könnte abgeben, behält aber den Ball, weil die anderen Stürmer heute schon so viel verpfuscht haben. Er schafft den linken Verteidiger, trickst auch noch den rechten aus und nimmt aus vollem Lauf in 10 Meter Entfernung Maß, täuscht Großmann durch eine Körperbewegung und setzt das Leder unhaltbar in das linke Eck, zwanzig Sekunden vor dem Schlußpfiff.
»Du hast uns gerettet, Tarzan«, sagt Stefan beim Duschen. »Ich möchte mich ganz besonders bei dir bedanken.«
»Gern geschehen«, erwidert Peter Steinbeil grinsend. »Verzichte auf die Blumen. Du hast ja auch zum Sieg beigetragen.«
»Mein Tor hab' ich nur durch Glück geschossen«, entgegnet der Fähnleinführer. »Hab' schon bessere Tage gehabt als heute.« Er reicht Tarzan ein Handtuch. »Wirklich ein Jammer, Tarzan«, versucht er es wieder einmal, »daß du nicht in meinem Fähnlein bist.«
Ohne es zu wissen, gibt er dem Mitschüler und Rivalen ein Stichwort.
»Vielleicht sollten wir einmal in Ruhe darüber reden«, versetzt Tarzan zur Verblüffung des HJ-Führers. »Aber unter uns.« Er dreht sich um. »Unter vier Augen.«
»Der Rex will mit der Siegesfeier anfangen«, ruft Benno. »Er wartet nur noch auf euch.«
»Gleich«, erwidert Stefan, um das glühende Eisen zu schmieden.
»Wie groß ist dein Einfluß bei HJ, Partei und so weiter?« fragt Tarzan, als sie allein sind.
»Unterschätz ihn nicht.«
»Ich war heuer zum ersten Mal in den Sommerferien nicht in der Schweiz«, beginnt Peter. »Weil mein Paß abgelaufen ist und die Polizei mir keinen neuen ausgestellt hat.«
Stefan pfeift durch die Zunge. »Sieh mal einer an, die Polizei ist gar nicht so dumm, was?«
»Findest du das richtig, daß der Enkel nicht zu seinen Großeltern fahren darf?«
»In gewisser Hinsicht schon, Tarzan«, erwidert der Fähnleinführer. »Du giltst eben als politisch unzuverlässig. Kapselst dich überall ab, bist der einzige Stadtschüler, der nicht bei der HJ mitmacht, und dabei bist du ein so blendender Mittelstürmer.«
»Übernimm dich nicht«, entgegnet Tarzan. »Ich schlag' dir einen Handel vor: Du gibst mir dein Wort, daß du dich mit allen Mitteln dafür einsetzt, daß die Polizei mir einen neuen Paß ausstellt«, der Massive grinst schräg, »und ich verstärke dein Fähnlein.«
»Mensch, Tarzan, freu' ich mich«, sagt Stefan überrumpelt. »Ich weiß, du hast Hemmungen, weil dein Vater vor 1933 sich gegen den Führer gestellt hat, aber das hat doch nichts mit dir zu tun. Und dein Vater ist ja gestorben; und ehrlich gesagt, meiner ist auch nicht gerade ein überzeugter Nationalsozialist –«
»Und mein Paß?« unterbricht ihn Tarzan.
»Ich schaff' das«, verspricht der Fähnleinführer. »Ich werde Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Darauf mein Wort.« Er reicht seinem neuesten Gefolgsmann die Hand.
»Wo bleibt ihr
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