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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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denn, ihr Leimsieder?« schreit Benno von weitem. »Der Rex wird immer ungeduldiger.«
    Aber Dr. Schütz nimmt die Verspätung milde und produziert mit überschwappender Stimme geschwollene Worte; Stefan hört nicht richtig zu, kaum einer tut das, obwohl sie am Ende alle kräftig klatschen. Arm in Arm dreht Stefan dann mit Tarzan unter stürmischem Applaus im Stadion eine Ehrenrunde.
    Die Rivalen sind dabei, Freunde zu werden oder zumindest Kameraden der Hitlerjugend.
    Dr. Fabers Gang in das Canossa der Kugellagerfabrik Bertram findet am nächsten Tag statt. Die Aussprache ist für 16 Uhr angesetzt. Bertrams Villa liegt an erhöhter Stelle des Fabrikgeländes. Der Assessor spürt seinen Magen, als er den Hoheitsadler am Pförtnerhäuschen sieht. Der Pleitegeier hält einen Lorbeerkranz in den Gipskrallen, der sich um die Inschrift rankt: »Dem Führer zur Ehr', dem Volke zur Wehr!«
    Ein Diener führt Dr. Faber in den Arbeitsraum des Fabrikanten. Auf einmal steht Sibylle vor ihm. Sie begrüßt ihn hastig, ein kraftloses Lächeln im Gesicht.
    »Nicht wahr«, sagt sie drängend, »Sie sind doch vernünftig?«
    »Sicher«, erwidert er. Vernünftig, denkt Dr. Faber, was heißt das?
    Auf dem Weg in die Fabrik ist es ihm fast gelungen, seine Gedanken auszuschalten. Jetzt nimmt er sich vor, Bertram entgegenzukommen, und spürt dabei doch irgendwie, daß er das nicht fertig bringen wird.
    »Ich bleibe in der Nähe«, sagt Sibylle. »Lassen Sie ihn ruhig zuerst etwas toben. Wenn sein Zorn verraucht ist, wird er umgänglicher.«
    In diesem Moment öffnet sich die Glastüre. Ein mittelgroßer, untersetzter Mann mit einem geröteten Gesicht kommt mit schweren Schritten näher. Er weist Sibylle mit einer Handbewegung aus dem Raum, geht ganz nahe an Dr. Faber heran, mustert ihn kalt und beginnt dann, ohne Gruß, ohne Vorstellung.
    »So also sieht ein Mann aus, der dem eigenen Volke in den Rücken fällt.« Seine Augen sind grau, eisgrau; seine buschigen Augenbrauen stehen ab, als sträubten sie sich ob des Besuchers Ungeheuerlichkeit. Hinter dem Kugellagerfabrikanten an der Wand reitet auf einem antiken Kupferstich Friedrich der Große eine Attacke auf der Stelle.
    »Was fällt Ihnen ein, Herr –«, hebt Bertram seine Kommandostimme. »Für diese Jugend haben wir gekämpft, geblutet, und Sie nehmen ihr den nationalen Glauben! Sie wollen die Jungen zu knieweichen Liberalen erziehen, zu vaterlandslosen –« Bertram sucht das Hauptwort, findet es nicht, fuchtelt stumm mit den Händen, ballt sie zu Fäusten. »Weg mit solchen Leuten!« schmettert der Fabrikant weiter. »Hinaus aus Deutschland mit ihnen! Kein Platz für Verräter in unserem Vaterland! Ich war in Flandern, bei Verdun. Und Sie, Herr?«
    Ich war im Kindergarten, denkt Dr. Faber. Seine Mundwinkel zucken. Er steht da, leicht angewidert, doch sehr beherrscht. Das ist Sibylles Vater, denkt er.
    Bertram tritt zwei Schritte zurück, auf die Wand zu, deutet mit dem Arm auf Fridericus Rex.
    »Das ist Deutschland«, sagt er stolz, als hätte der alte Fritz die Kugellager erfunden.
    Dr. Faber läßt noch ein paar zähe Sekunden verstreichen, dann fragt er leise: »Sind Sie Pädagoge, Herr Bertram?«
    Der Fabrikant fährt herum. »Pädagoge?« zischt er. »Herr, ich stehe in der Arbeitsschlacht unseres Volkes. Ich bin Betriebsführer. Ich marschiere an der Spitze meiner Belegschaft. Verstanden?«
    Ja, denkt Faber. Und er sieht ihn vor sich, beim Maiaufmarsch, im dunkelblauen Schifferanzug des Betriebsführers, das Rädchen, das Symbol der Arbeitsfront, auf der Mütze, die Mütze auf der Stirne, an der Stelle, wo, wenigstens anatomisch, das Gehirn sitzt, Vorkämpfer und Nutznießer eines Drei-Groschen-Sozialismus, der natürliche Gegensätze nivelliert. Die Gewerkschaften aufgelöst, ihre Funktionäre im KZ, Betriebsrat nicht vorhanden. Es gibt nur noch Arbeiter der Stirn und Arbeiter der Faust, geführt von dem Gewohnheitstrinker Robert Ley, der einmal bei einem Maiaufmarsch promilleselig in das Mikrophon grölte: »In Deutschland ist es schöner als im Himmel.«
    »Herr Bertram, welche Äußerungen meines Unterrichts beanstanden Sie eigentlich?« fragt Dr. Faber ruhig.
    »Das werde ich Ihnen gleich sagen«, versetzt der Fabrikant. »Ihr Opfer wird es Ihnen sagen.« Er geht auf die Glastüre zu, reißt sie auf, ruft nach Rolf, seinem Sohn, poltert im Nebenraum herum, kommt mit dem Siebzehnjährigen zurück, einem netten Jungen, Wachs noch in der Hand des Lebens. Rolf Bertram

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