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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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in den oberbayerischen Bergen hinter sich, die weit steilere und längere Pisten bieten.
    Hüttenzauber am Abend. Man sitzt in bunter Reihe, trinkt Grog. Es darf auch geraucht werden. Stefan und Tarzan sitzen beieinander wie meistens in den letzten Wochen, seitdem Peter in das Jungvolkfähnlein eingetreten ist. Die Geländespiele und die Sportübungen machen ihm Spaß, und das weltanschauliche Geseire läßt er über sich ergehen wie einen Regenguß; ein rechter Junge fürchtet die Nässe nicht. Peter war schon fünfzehn Jahre alt, als er seinen Vater verloren hat, und dessen Einfluß auf sein Weltbild ist noch immer nachhaltiger als die braunen Sprüche. Um den Novizen in seiner Einheit halten zu können – eigentlich gehörte Peter wie alle über Vierzehnjährigen in eine HJ-Gefolgschaft –, hat ihn Stefan zum stellvertretenden Hordenführer z.b.V. ernannt und setzt ihn als eine Art persönlichen Adjutanten ein. Das macht Tarzan so viel Spaß, daß ihn die anderen bereits als Stefans Gorilla verspotten.
    »Eine Pfundsgaudi, was?« sagt der Fähnleinführer. »Was meinst du, wie schön es erst in Lenggries im Winterlager sein wird! Schade, daß du nicht dabei sein kannst«, läßt er die Katze aus dem Sack.
    »Wieso kann ich nicht dabei sein?« fragt Tarzan.
    »Du willst doch in den Weihnachtsferien in die Schweiz reisen.«
    »Aber das kann ich doch nicht«, erklärt Tarzan. »Ich hab' noch immer keinen Paß.«
    »Du wirst ihn bekommen«, antwortet Stefan stolz wie ein Spanier. »Ich hab's dir versprochen. Ein Mann, ein Wort. Der Bannführer hat mir vor der Abfahrt noch mitgeteilt, daß die Sache jetzt in Ordnung geht.«
    »Toll, Stefan«, erwidert der neue Freund, weit weniger begeistert, als er es noch vor Wochen gewesen wäre. »Vielen Dank.«
    Das Gebräu macht ihnen heiße Köpfe. Stefan ist unkonzentriert, obwohl er schuldbewußt daran denkt, daß der Führer weder raucht noch trinkt. Seine Zigarette drückt der Fähnleinführer aus, aber in seiner Tasche kramt er, um festzustellen, wie weit sein Kleingeld noch für weitere Grogs reicht.
    Ausflugsleiter Faber führt die Jungen am langen Zügel. Sie haben sich seit Wochen auf die Ferienfahrt gefreut; er will ihnen nicht mit typischen Paukereinschränkungen kommen und behandelt seine jungen Sportsfreunde wie Erwachsene. Sollen sie ruhig mehr trinken, als sie vertragen können, schließlich will das richtige Maß ebenfalls erlernt sein. Dafür gibt es nun einmal keine Norm, sie ist wohl bei jedem Menschen ein wenig anders.
    Die Siebzehnjährigen tragen Pullover mit Rollkragen. Ihr Lehrer auch. Die Mädchen haben erhitzte Gesichter. Der Kachelofen bullert. Oben an dem Holzgestell hängen die nassen Sachen zum Trocknen, draußen vor der Hütte lehnen die Skier.
    Nie mochten die Schüler ihren Ordinarius lieber als in diesen Tagen. Er sagt »Meine Damen und Herren« zu ihnen. Der Wirt schleppt geschäftig Skiwasser für die Mädchen und heißen Grog für die Jungen an. Die Schülerinnen rücken näher zu Dr. Faber und denken: Das ist doch besser als eine Bastelstunde beim BDM. Die Jungen denken an die Mädchen. Im übrigen finden sie es hier schöner, als bei der HJ geschliffen zu werden.
    Stefan Hartwig belauert auch hier seinen Klassenleiter. Er ist nicht viel weitergekommen bei seinen Spitzeldiensten. Aber er läßt auch nicht von ihnen ab. Er sieht sein Ziel vor sich.
    Aber heute, an diesem Abend, ist Claudia das Ziel. Sie sitzt rechts neben Faber. Er hätte sie gerne jetzt neben sich an der Theke des Hüttenwirts gehabt.
    Aber Claudia erwidert auf seine Aufforderungen: »Wir können uns nicht so absondern, das fällt doch auf.«
    Darauf hat sich Stefan den ersten Grog bestellt, dann noch einen und noch einen.
    Der Führer hat nie ein Mädchen, denkt Stefan; seine Augen sind schon leicht glasig. Der Führer denkt immer an Großdeutschland. Die Gedanken des Jungen purzeln durcheinander, aber es ist ihm doch klar, daß er beständig nur an Claudia denkt.
    Um 22 Uhr sagt Dr. Faber: »So, meine Damen.«
    Die Mädchen gehen zuerst. Sie haben Einzelzimmer, unter dem Dach.
    »Gute Nacht, Stefan«, sagt Claudia im Vorbeigehen.
    Er nickt. Er sieht sie leicht verschwommen. Sie hat die Skihose mit einem Faltenrock vertauscht. Stefan muß immer den Rock ansehen, so kurz ist die Mode in Deutschland geworden. Er trinkt hastig weiter und verschluckt sich dabei. Als er den Kopf wieder hebt, ist Claudia gegangen. Verdammt, denkt er, und heute ist der letzte Abend.
    Nach dem

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