Heldensabbat
versetzt der Gefürchtete mit dubioser Menschenfreundlichkeit.
»Peter Steinbeil ist jetzt in die Staatsjugend eingetreten und gibt einen prächtigen Hitlerjungen ab.«
»Eben«, erwidert der Hauptsturmführer trocken. »Und ein solcher hat doch seinen Platz in Großdeutschland und nicht am Vierwaldstätter See.«
»Frau Steinbeil hat, um ihren guten Willen zu zeigen und –« Vollhals muß noch ein paarmal schlucken, bevor er hinzusetzt: »– und um auszudrücken, wie positiv sie unserem Staat gegenübersteht, die Spende für das Winterhilfswerk entrichtet und den Betrag sogar auf fünfzehnhundert Mark erhöht.« Er holt eine Spendenquittung aus der Tasche und weist sie vor.
»Vielleicht ist das Winterhilfswerk käuflich«, erwidert Mainbachs SD-Statthalter. »Ich bin es nicht.«
»Der Kreisleiter ist für die Neuausstellung des Reisepasses. Die schweizerische Botschaft hat bereits interveniert, und –«
»Wer garantiert mir denn, daß der Bursche aus der Schweiz zurückkommt?«
»Er war in den letzten Jahren fünfmal in der Schweiz und ist immer wieder zurückgekommen.«
»Aber nicht so kurz vor seiner Musterung.«
»Die Familie hat Vermögen«, fährt Vollhals fort. »Frau Steinbeil bezieht eine beachtliche Pension. Sie besitzt ein unbelastetes Einfamilienhaus und ein Paket Aktien. Alles zusammen von ansehnlichem Wert. Meinen Sie, sie würde ihr Vermögen so einfach im Stich lassen?«
»Parteigenosse Vollhals«, erwidert der Hauptsturmführer, »wollen Sie damit unterstellen, daß wir das Privatvermögen gewissermaßen als Repressalie verwenden würden?«
»Nichts liegt mir ferner«, entgegnet der Anwalt. »Aber Sie wissen vielleicht, daß man seinen Privatbesitz nicht gefährdet, vor allem nicht in Mainbach, wo er oft über Generationen hinweg zusammengetragen wurde.«
»Gut«, erwidert Panofsky. »Die Geschichte fällt mir schon lange auf den Wecker. Und Sie haben ja Ihre Freunde bei der Kreisleitung ganz hübsch eingespannt.« Sein Lächeln entblößt die Schneidezähne. »Vielleicht hätte ich längst die Sache positiv entschieden, wenn sie hier nicht gar so übertüchtig gewesen wären, Parteigenosse Vollhals. Der Bannführer hat sich übrigens auch schon eingemischt. Stecken Sie auch hinter ihm?«
»Nein, Herr Hauptsturmführer, wirklich nicht. Den Pg Greifer kenn' ich kaum. Aber ich setze mich eben für meine Mandanten ein«, erklärt der Jurist. »Mit allen Mitteln, und es ist mir dabei gleichgültig, ob es sich um einen Paß oder um einen – einen Blechschaden handelt. Ich will Sie nicht drängen«, behauptet Vollhals zum zweiten Mal, »und Ihre Entscheidung auch nicht beeinflussen, ich möchte Sie nur bitten, sie umgehend zu treffen. Mutter und Sohn konnten in diesem Jahr in den Sommerferien nicht ihre übliche Reise antreten. Sie haben sie auf Weihnachten verschoben. Sie brauchen ja noch ein Einreisevisum, und das bekommen sie erst, wenn sie einen gültigen Reisepass vorweisen können.«
»Parteigenosse Vollhals als Weihnachtsmann«, versetzt Panofsky grinsend.
»So selbstlos bin ich auch wieder nicht«, räumt der Anwalt ein. »Sie können sich darauf verlassen, daß ich für meine Bemühungen ein anständiges Honorar liquidieren werde.«
»Das nehme ich Ihnen sofort ab«, entgegnet der SD-Gewaltige und lacht schallend. Diesmal hat der Besucher den richtigen Ton getroffen. Panofsky reicht ihm die Hand. »Mal sehen, was ich tun kann«, sagt er gönnerhaft, und der Jurist ist sich sicher, jetzt ans Ziel zu kommen, denn so einflußreich ist ein SD-Hauptsturmführer auch wieder nicht, daß er sich mit der örtlichen Parteiprominenz auf die Dauer anlegen könnte.
Ein vorzeitiger Wintereinbruch ermöglicht es dem Ordinarius Dr. Hans Faber, die Oberkläßler in Verzückung zu versetzen. Im benachbarten Fichtelgebirge liegt bereits in der Vorsaison eine bescheidene Schneedecke, und der Pädagoge hat für die Skifahrer der drei Parallelklassen anstelle eines Wandertags einen dreitägigen Wochenendausflug nach Fleckl durchgesetzt.
Die Dependance eines Wintersporthotels ist wie eine zünftige Almhütte eingerichtet. Auch das Wetter spielt mit; tagsüber toben sich die vierzehn Jungen und die drei Mädchen auf den Skihängen aus, und Dr. Faber überrascht sie einmal mehr, weil er so sicher auf den Brettern ist, als hätte er seine Wehrpflicht bei den Gebirgsjägern abgedient.
Auch Stefan fährt gut, und Tarzan ohnedies. Die meisten Ausflügler haben schon ein oder mehrere HJ-Winterlager
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