Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
doch, daß wir heute Abend zur Geburtstagsfeier bei Onkel Wolf eingeladen sind.«
    »Onkel Wolf?« erwidert der Gemaßregelte zerstreut. »Heute – und da muß ich mit?«
    »Das ist ja wohl selbstverständlich. Und ich bitte mir aus, daß du heute nicht mit ihm politisierst. Versprichst du mir das, Stefan?«
    »Nein«, entgegnet er. »Wenn er anfängt, dann muß ich mich stellen.«
    »Er wird nicht anfangen«, mischt sich Vater Hartwig, der Haushaltswarenhändler, ein. »Er will nur eine Flasche Wein mit uns trinken.«
    »Dann ist ja alles in Ordnung«, erklärt der Junge lustlos.
    Es wird ein stiller Familienabend. Tante Marie-Luise ist eine ausgezeichnete Gastgeberin, und mit seiner kleinen Kusine Adele, die nunmehr auch schon neun Jahre alt ist, kann sich Stefan schon ziemlich vernünftig unterhalten. Und der Rechtsanwalt vermeidet an diesem Abend selbst die kleinste politische Anspielung. Onkel und Neffe sind friedlich wie zwei Boxer in der neutralen Ecke während der Pause – aber das Match wird weitergehen.
    Stefan genehmigt sich ein paar Glas Sekt. Vielleicht liegt es daran, daß er den Burgfrieden bricht und auf seine Kontroversen mit dem Bannführer zu sprechen kommt, wenigstens auf den Teil, der seinen Ordinarius Dr. Faber betrifft. »Mir droht die endgültige Absetzung«, stellt er zerknirscht fest.
    »Schlimm«, erwidert der Anwalt. »Vielleicht ist das für dich ein politisches Debakel, aber es spricht eigentlich für deinen menschlichen Anstand.«
    »Bitte keine Politik«, sagt Stefans Mutter.
    »Ich hab's ja versprochen«, antwortet Stefan gereizt. »Onkel Wolf«, fährt er trotzdem fort, »du warst doch im Ersten Weltkrieg Offizier. Du hast dich mutig für Deutschland geschlagen und hast sogar das EK I für deine Tapferkeit bekommen. Ich verstehe einfach nicht, wie du dich unserem Führer, einem anderen Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges, der die gleiche Auszeichnung trägt, nicht anschließen willst. Dem Mann, der Deutschland wieder groß gemacht hat und –«
    »Weil ich noch andere Männer aus dem Krieg kenne, die das EK I tragen«, antwortet der Jurist, »die sich auch mutig für Deutschland geschlagen haben.«
    »Zum Beispiel?« unterbricht ihn Stefan.
    »Felix Wassermann«, erwidert der Anwalt ohne Nachdruck.
    »Wer ist das?«
    »Er war der Chef des jüdischen Bankhauses, bei dem Tarzans Vater im Vorstand gesessen hat. Man jagte ihn über die Grenze und brachte ihn fast um sein ganzes Vermögen. Ist das der Dank des Vaterlandes, wie du dir ihn vorstellst?«
    »Nein, natürlich nicht. Aber du kannst die Größe der Bewegung nicht nach gelegentlichen Entgleisungen beurteilen. Schau dir doch die Französische Revolution an mit ihren Greueln, und doch war sie ein Fortschritt für die Menschheit.«
    »Schluß jetzt«, entscheidet die Gastgeberin; alle stimmen ihr zu, und so nimmt der Abend doch einen mehr familiären als politischen Ausklang.
    Sie treffen sich in der Wohnung Dr. Klimms. Die ›Drei Musketiere‹ sind komplett. Es gibt einen fruchtigen Bocksbeutel und feine Häppchen. Claus Benz, der nicht mehr dazu gekommen ist, die Uniform eines Oberleutnants mit dem Zivilanzug zu vertauschen, erleidet einen Lachkrampf nach dem anderen über den gelungenen Streich des Narkosearztes. Nur bei Hans Faber, dem Begünstigten, will sich nicht der rechte Humor einstellen, aber er wird überstimmt und muß schließlich zugeben, daß Roberts Geniestreich nicht nur bedenklich, sondern auch pfiffig ist und ihm vor allem aus der Klemme hilft.
    Der Anästhesist öffnet die nächste Flasche. »Prost«, sagt er. »Und nun spülst du deine letzten Bedenken hinunter, Hans. Morgen um fünfzehn Uhr erwarte ich dich im Garten des Krankenhauses, dann machen wir eine kurze Stippvisite bei deinem Rex – und ich erwähne so nebenbei, daß du mein bester Freund bist. Capito, amigo?«
    »Mir wird ganz blümerant«, entgegnet der Pädagoge.
    »Stell dich bloß nicht so an«, poltert der Versicherungsjurist, jetzt Oberleutnant bei Mainbachs Wehrbezirkskommando. »Du hast nicht den geringsten Grund, diesen Miesepeter zu schonen. In meinem neuen Tätigkeitskreis habe ich einen weit besseren Blick hinter die Kulissen als ihr beide. Jeder Schritt deutet auf Krieg hin, Krieg in spätestens ein paar Monaten. Was im vorigen Jahr die Tschechoslowakei war, ist in diesem Polen. Die Hetze läuft ja schon auf Hochtouren – dieser Amokläufer wird nicht ruhen, bis – bis alles in Scherben fällt.«
    »Und was hat das mit Dr.

Weitere Kostenlose Bücher