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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Stefan.
    Sechzig Minuten harmloser Heimlichkeit sind abgelaufen. Bis zum Ende des Hains gehen sie schweigend nebeneinander her. Dann müssen sie sich trennen; Stefan wendet sich nach links zum Gebäude der Hitlerjugend und Claudia rechts zu den Hausaufgaben.
    Oberstudiendirektor Dr. Schütz kann zum fünfzigsten Geburtstag des Führers dem Ministerium nicht melden, daß sein Lehrerkollegium ausnahmslos der Partei angehört, denn neben drei widersetzlichen Lehrern hat sich ihm auch noch der Blinddarm in den Weg gestellt. So verbringt der Anstaltsleiter den 20. April im Krankenhausbett. An diesem Tag denkt er auch viel weniger an Adolf Hitler als an die Fäden, die im schmerzhaften Ruck noch aus der Operationsnarbe entfernt werden müssen.
    Er liegt in einem Einzelzimmer, zwischen Blumen, die den Ärzten missfallen, und Süßigkeiten, die er noch nicht essen darf. Die Lehrkräfte, ob sie ihn mögen oder nicht ausstehen können, geben einander die Tür in die Hand, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen.
    Dr. Klimm wartet geduldig auf die Gelegenheit, seinen Freund Hans Faber ein für allemal bei Anstaltsleiter Schütz zu neutralisieren. Er nimmt Schwester Alexandra auf die Seite, bittet sie um einen Gefallen.
    »Auch zwei, Herr Dr. Klimm«, erwidert sie lachend.
    »– ohne mich zu fragen, warum?«
    »Aber ja.« Die Schwester bewundert den Anästhesisten; sie ist ihm ergeben und braucht es nicht erst zu beweisen.
    »Sie werden auch mit niemandem darüber sprechen?«
    »Aber ich bitte Sie«, wiederholt sie fast gekränkt.
    »Dann lassen Sie bitte bei dem Patienten Schütz die Bemerkung fallen, daß seine Narkose recht schwierig war.«
    »War sie ja auch –«
    »Und daß er, statt zu zählen, gesprochen hat, während ich die Dosierung verstärken mußte.«
    »Auch das stimmt«, bestätigt die Schwester.
    »Wenn Sie das erledigt haben, geben Sie mir Bescheid. Und vielen herzlichen Dank.«
    Es ist Schwester Alexandra nicht anzusehen, ob sie sich Gedanken über den Sinn des Wunsches macht; bereits am Nachmittag gibt sie Dr. Klimm zu verstehen, daß sie seiner Bitte nachgekommen ist.
    Der Anästhesist handelt kurz nach der Visite des Professors. Er nickt Dr. Schütz zu, angelt sich einen Stuhl und setzt sich an sein Krankenbett. »Wie geht's Ihnen heute?« fragt er.
    »Danke«, antwortet der Patient. »Ich fühle mich wohl.«
    »Schön«, entgegnet der Arzt. »Sie haben sich physisch schon gut erholt, und ich kann jetzt mit Ihnen etwas besprechen, was eigentlich sehr – sehr unangenehm ist.«
    »Unangenehm?« fragt der Oberstudiendirektor.
    »Nicht im gesundheitlichen Sinn«, beruhigt in Dr. Klimm. »Es handelt sich um etwas eigentlich Schlimmeres.« Er steht auf, geht auf und ab, als suche er Worte. »Ich muß vorausschicken«, beginnt er, stehen bleibend, »daß ich voll und ganz hinter dem Führer stehe.«
    »Meinen Sie, ich nicht?« fragt Dr. Schütz verwundert. »Das tun wir doch alle.«
    »Nicht alle«, erwidert der Mediziner. »Sie zum Beispiel nicht, Herr Dr. Schütz. Sie tun nur so, in Wahrheit denken Sie, was Sie wiedergeben, wenn Sie bei der eingeleiteten Anästhesie zum Beispiel, statt zu zählen, sprechen.«
    »Das – das ist doch unmöglich«, erwidert der Patient entsetzt.
    »Der eine dämmert schneller hinüber, der andere schwebt länger zwischen Bewußtsein und Unterbewusstsein, zu diesen Leuten gehören Sie, Herr Dr. Schütz.«
    »Mein Gott«, erwidert der Oberstudiendirektor. »Das ist doch Unsinn! Das ist wie ein Alptraum.«
    »Für mich nicht«, versetzt Dr. Klimm. »Für mich ist das Ihre wahre politische Einstellung, und ich muß Sie wirklich ernsthaft auffordern, sie künftig zu korrigieren.«
    »Ich –«, stottert der Patient, »was hab' ich denn gesagt?«
    »Ich möchte nicht wiederholen, wie Sie sich gegen den Führer und seine Bewegung gestellt haben.« Der Anästhesist setzt sich wieder und stellt fest, daß die Stirn des Patienten schweißnass ist und seine Augen seltsam glänzen, als hingen kleine Wassertropfen an der Iris. »Ich will Ihnen das nur gesagt haben«, fährt er fort, macht ein strenges Gesicht und wundert sich über sein schauspielerisches Talent. »Es liegt mir nicht, es weiterzuleiten, und in gewisser Hinsicht fällt es vielleicht sogar unter die ärztliche Schweigepflicht.«
    »Aber ich kann doch so etwas nicht gesagt haben –«
    »Darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten, Herr Dr. Schütz«, erwidert der Mediziner unnachgiebig. »Wenn Sie wollen, ich

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