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Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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hätte sogar eine Zeugin: Schwester Alexandra.« Dr. Klimm erhebt sich, bleibt an der Tür noch einmal stehen. »Gehen Sie in sich, Herr Dr. Schütz«, sagt er. »Überdenken Sie Ihr Verhältnis zum Führer.« Fast übertrieben knallt er die Hacken zusammen. »Heil Hitler, Herr Dr. Schütz!«
    Er ist froh, daß er ihm den Rücken zuwendet; er wäre nicht mehr länger in der Lage gewesen, seine Schadenfreude zu verbergen.
    Vor dem Gebäude der Bannführung stockt Stefan Hartwig wie unter einem plötzlichen Zwang. Er kommt nicht über die Treppen des Eingangs hinweg. Auf einmal spürt er Claudias erschrockenen Blick, sieht ihr zaghaftes Lächeln. Ihre Worte klingen in seinem Ohr: »Ich würde es nicht tun …«
    Stefan dreht sich auf dem Absatz um, läuft langsam weg, planlos, unsicher, unschlüssig, einmal um den Block herum, sieht auf die Uhr. Es ist schon fünf Minuten über die Zeit. Der Bannführer wartet auf ihn. Er muß gehen. In seiner Tasche knistert der Bericht. Er kramt ihn heraus, bleibt stehen, liest: »Dr. Faber sagte, als der Hausverwalter das Kruzifix aus dem Klassenzimmer entfernte: Symbole hängen an der Wand. Der Glaube aber sitzt im Herzen!«
    Die Lippen des Primaners verziehen sich. Er dreht sich um. Niemand steht auf der Straße. Er nimmt den Bogen, reißt ihn in kleine Fetzen und verstreut sie.
    Dann geht er wieder lustlos auf das HJ-Gebäude zu. Diesmal hat er keine Platzangst, als er den Eingang passiert. Er grüßt den Bannführer in dessen Zimmer mit erhobenem Arm, bleibt stramm stehen.
    »Rührt euch!« sagt Greifer zu ihm. »Hast du den Wisch?«
    »Nein.«
    Das verdickte, linke Auge des HJ-Führers zuckt. »Und warum nicht?« fragt er drohend.
    »Ich hab nicht aufgepaßt, ich hab' geschlafen«, entgegnet Stefan.
    »Geschlafen?« wiederholt Greifer gedehnt.
    »Ja. Hast du noch nie in der Schule gepennt?« antwortet sein Fähnleinführer heftig.
    Beim Wort Schule verzieht der Bannführer das Gesicht. »Ich weiß nicht, was mit dir los ist«, erwidert er dann drohend. »Du gefällst mir nicht mehr. Du wirst sentimental. Früher, ja, da warst du einer meiner besten Unterführer. Was bist du für ein lahmer Hund geworden!« Er beobachtet träge die Wirkung seiner Worte in Stefans Gesicht. »Ja«, sagt er, »so weit sind wir also – du brauchst nicht zu denken, daß ich auf dich angewiesen bin.«
    Der Primaner nickt betroffen.
    Der Bannführer steht auf: »Poussieren kannst du von mir aus, so viel du willst. Das ist mir wurscht. Aber der Kerl, dieser Faber –«
    Poussieren, klingt es in Stefan nach; er ballt die Fäuste. Claudia – poussieren nennt er das. So ein Schwein! Und wer hat es ihm hinterbracht? Wer hinterbringt ihm Denunziationen über den Klassenleiter?
    »Staunste, was?« fährt Greifer fort. »Wir wissen hier alles.«
    »Und wer sagt es euch?« fragt Stefan leise.
    »Geht dich nichts an. Jedenfalls ist das kein solcher Schlappschwanz wie du.«
    »Schlappschwanz«, versetzt Stefan wütend. »Wen läßt du eigentlich bespitzeln: Dr. Faber oder mich?«
    »Wenn's sein muß, beide«, entgegnet der Bannführer. »Ein guter Nationalsozialist bleibt immer wachsam.«
    »So ist das also«, erwidert der Fähnleinführer zwischen den Zähnen.
    »Es ist noch ganz anders«, entgegnet der Mann mit dem verdickten Augenlid. »Du bist ab sofort für vier Wochen als Fähnleinführer beurlaubt, vom Dienst zwecks Abiturvorbereitung suspendiert. So lange hast du Zeit, meine Befehle auszuführen und mit deiner Humanitätsduselei fertig zu werden. Wenn ich von dir in einem Monat keine zufrieden stellenden Berichte über die beiden unzuverlässigen Elemente, über diesen Dr. Faber und deinen famosen Onkel, bekommen habe, bist du als Fähnleinführer endgültig abgesetzt und künftig Schütze Arsch im letzten Glied. Verstanden?« Greifer hebt lässig abgewinkelt den rechten Arm, wie es nur Alten Kämpfern und hohen Funktionären erlaubt ist. »Heil Hitler!« ruft er, ohne Stefan anzusehen.
    Der Primaner ist verstört. Er will befehlen und nicht gehorchen. Er liebt den Führer und ist zornig auf den Bannführer. Er will sich bewähren und kann Dr. Faber nicht denunzieren. Er will Claudias Zuneigung nicht verlieren und möchte doch ganz zur Bewegung stehen. Und dabei verachtet er alles, was er nicht fassen, nicht greifen kann; er mag Halbheiten nicht, und jetzt löst sich sein klares, simples Weltbild in Kompromissen auf.
    »Wo bleibst du denn, Stefan?« empfängt ihn die Mutter zu Haus. »Du weißt

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