Heldensabbat
wirst dann deine Ruhe vor ihm haben. Für immer.«
Dr. Faber hört nur ein Lachen am anderen Ende, das in einen Hustenanfall übergeht. Dann wird der Hörer auf die Gabel gelegt. Er schüttelt den Kopf. Wenn er Robert nicht so gut kennen würde, müßte er annehmen, der Freund hätte zu viel getrunken, und das im Dienst.
Im Hain, gleich hinter dem Tennisplatz, ist eine Bank, die ganze Generationen von Pennälern kennen. Im dichten Rund ist sie von einer Hecke so umwachsen, daß man auf ihr nicht gesehen wird, aber schon von weitem die Näher kommenden hören kann. Heute Nachmittag beschlagnahmen Stefan Hartwig und Claudia die Anlagenbank.
Der Junge hat seinen Arm um die Schulter seiner hübschen Mitschülerin gelegt. Sie lehnen sich weit zurück und lassen sich mit geschlossenen Augen von der vorwitzigen Sonne kitzeln.
»Ist das schön!« sagt Claudia.
»Ja«, erwidert Stefan.
»So soll es immer bleiben.« Sie blinzelt gegen die Sonne, schmiegt sich noch näher an den Jungen. »Weißt du«, sagt sie nachdenklich, »wenn ich mir das so überlege, dann verdanken wir doch alles Dr. Faber, nicht?«
»Sicher«, antwortet Stefan lustlos. Dann lächelt er sie an. »Du hast Sommersprossen auf der Nase.«
»Und wenn?«
»Es macht ja nichts.«
Claudia richtet sich auf, rückt etwas von Stefan weg. Auf ihrer schmalen, glatten Stirn stehen zwei winzige Falten. »Sag mal, Stefan«, sagt sie traurig, »einmal wird es mit uns aus sein.«
»Warum?«
»Na, wir sind doch noch sojung – wir werden nicht immer zusammenbleiben.«
»Unsinn«, entgegnet der Junge trotzig.
»Doch«, fährt sie fort. »Schau dir nur die anderen an.«
»Aber bei uns ist es doch ganz anders«, versetzt Stefan.
»Das meint jeder«, erwidert das Mädchen altklug.
»Nein«, antwortet er. »Bei uns ist es viel schöner.«
»Glaubst du?« fragt sie. Während ihre Lippen zweifeln, glänzen ihre Augen.
»Ein paar Jahre müssen wir eben warten«, bemerkt Stefan geringschätzig. »Ich werde Offizier. Vielleicht können wir schon mit einundzwanzig heiraten.«
»So bald?« fragt das Mädchen.
Sie küssen sich.
Stefan sieht verdrossen auf die Uhr. Er trägt Uniform. Um 17 Uhr beginnt sein Dienst. Über sein offenes Gesicht zieht ein Schatten.
Claudia bemerkt es. »Was hast du auf einmal?« fragt sie.
»Ach, nichts Besonderes.« Der Primus nimmt sich vor zu schweigen und beginnt ein paar Sekunden später trotzdem zu reden. »Du kennst doch die Geschichte mit Faber – weißt schon, wie vorgestern der Kunzog das Kreuz abgeholt hat.«
Claudia nickt.
»Ich soll darüber einen schriftlichen Bericht für den Bannführer schreiben.«
»Aber woher weiß er –?«
Stefan zuckt die Schultern. »Einer muß es ihm gesagt haben, ich jedenfalls nicht.«
Die Gymnasiastin erschrickt, überlegt, schüttelt den Kopf.
»Was soll ich tun?« stößt Stefan hervor. »Ich muß jetzt den Bericht abliefern.«
»Hältst du das für richtig?« fragt Claudia leise.
Stefans Lippen wölben sich trotzig. Seine Augen werden klein, als fürchteten sie auf einmal die Sonne. »Vielleicht für notwendig«, erwidert er zögernd. »Das riecht man doch: Dr. Faber ist ein Feind der Bewegung.«
»Aber sicher ein anständiger Deutscher.«
»Ein anständiger Deutscher steht zum Führer«, weist sie der Primaner zurecht.
»Mag sein, daß du mehr davon verstehst als ich«, erwidert Claudia bescheiden und setzt mit ein klein wenig Spott hinzu: »Ich bin ja auch kein Fähnleinführer. Aber wenn uns Dr. Faber gemeldet hätte, würden wir nicht in sechs Monaten das Abitur machen, sondern wären sicher von der Schule geflogen.«
»Das schon«, entgegnet Stefan gedehnt.
»Aber das mein' ich noch nicht einmal«, fährt Claudia fort. »Unsere – unsere Versuchung hätte sich doch auch herumsprechen können. In diesem Fall wäre unser Klassenleiter, der ja für die Fahrt verantwortlich war, in erhebliche Schwierigkeiten gekommen, weil er uns nicht angezeigt hat.«
»Du denkst ja um drei Ecken«, versetzt Stefan gereizt.
»Dagegen ist wohl nichts zu sagen«, erwidert Claudia und küßt ihn auf die Nasenspitze. »Ich würde die Sache mit dem Kruzifix dem Bannführer nicht melden.«
»Vielleicht setzt er mich als Fähnleinführer ab und jagt mich davon –«
»Das ist doch kein Beinbruch. Dann hast du Zeit, dich auf das Abitur vorzubereiten, und danach wirst du sowieso gleich zum Arbeitsdienst eingezogen.«
»Du mußt ja verdammt viel für diesen Faber übrig haben«, versetzt
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