Heldensabbat
ist. Du kommst nicht darum herum, Hans Faber, du mußt deinen Mann stellen, damit ich die Frau dieses Mannes werden kann. Aber wir wollen uns nicht streiten, nicht jetzt, überhaupt nicht auf dieser Reise.«
»Das ist ein Programm«, erwidert der Germanist erleichtert.
Es ist keine Lösung, nur ein Aufschub, der ihm eigentlich nicht liegt, denn als Opfer seiner eigenen Konsequenz eckt er ja oft genug an.
Die Skatbrüder werden laut. Bier wäre ihnen lieber, aber Rotwein tut's auch, und ein gewonnener Grand ohne Vier ist ein Fiasko wert, auch wenn der Chianti später vielleicht zum Fiasko werden wird. Der Omnibusfahrer ist ein gelernter Witzbold, dessen Pointen immer dann zünden, wenn die Stimmung abflaut, und ein Mann aus Sachsen, der in SA-Uniform reist, erweist sich als unfreiwilliger Witzbold. Er wirkt mehr lächerlich als beeindruckend, und bald stellt sich heraus, daß dieser Exote längst nicht so übel ist wie seine Uniform.
»Sie sprechen doch Italienisch, Herr Dr. Faber?«
»Einigermaßen«, schränkt der Pädagoge ein.
»Die Italiener rufen mir immer ›Pantalone‹ nach. Wissen Sie, was das bedeutet?«
Faber nickt lächelnd. »Wollen Sie es wirklich hören?« vergewissert er sich.
»Deswegen störe ich Sie ja«, antwortet der Sachse. »Tut mir übrigens leid.«
»Hanswurst«, antwortet der Erzieher. »Tut mir auch leid.«
Zuerst ist der muntere Sachse fassungslos, dann wirkt sein Mund verkniffen.
»Nicht böse sein«, fordert ihn Faber in seiner Sonntagslaune auf. »Das bezieht sich nicht auf Sie, sondern auf Ihre Uniform.«
Er erringt einen schnellen, billigen Sieg, denn von nun an trägt der Mann wie alle anderen ein buntes Hemd und lebt in Frieden mit den Italienern.
Sie erreichen Mailand, die erste Übernachtungsstation. Getrennte Quartiere. »Dann spielen wir also wieder Königskinder«, tröstet Sibylle. Die Liebenden sind die letzten, die schlafen gehen, verabschieden sich unwillig, als die letzte Pinte schließt, und sie sind die ersten an der gemeinsamen Frühstückstafel.
»Du warst schon einmal in Italien?« fragt Sibylle.
»Als Student«, antwortet er. »Zweimal sogar.«
»Kennst du Spotorno?«
»An der italienischen Riviera, in der Nähe von Finale Ligure?« fragt Faber.
»Du weißt wirklich alles«, konstatiert das Mädchen. »Magst du die Blumen-Riviera?«
»Sie ist schöner als die Adria-Seite – aber mit dir ist es ja überall wunderschön.«
»Mit dir auch«, zündet Sibylle ihre Überraschung. »Wir verlassen jetzt gleich die Gruppe.« Sie lacht schelmisch. »Ich hab' den Reiseleiter bestochen, und den Fahrer auch.«
»Bestochen?« fragt Faber erschrocken.
»Na ja – mit etwas Geld nachgeholfen«, verbessert sich das Mädchen. »Schließlich bin ich eine reiche Tochter.«
»Vielleicht wirst du bald arm sein«, erwidert der Mann.
»Vielleicht bin ich dann noch reicher – das wäre doch möglich.«
»Ich bin wirklich der Hans im Glück«, stellt er fest. »Ging das so einfach?«
»Ziemlich einfach«, antwortet sie. »Es kommt öfter vor, daß sich Reiseteilnehmer selbständig machen, weil sie ihren Onkel oder die Tochter besuchen. Ich mußte nur garantieren, daß wir uns pünktlich in Brixen, der letzten Rückreisestation, einfinden werden.«
»Du bist tüchtig«, lobt Faber. »Weißt du, daß du mir in dieser Hinsicht weit überlegen bist?«
»Ich möchte mit dir allein sein, Hans. Oder versetzt dich das in Angst und Schrecken?«
»Und wie«, entgegnet er. »Wenn bei mir schon das Feuer unter der Haut ausgebrochen ist, brauchst du nicht noch als Brandstifterin aufzutreten.«
Als sich die beiden in Mailand separieren, ist die KdF-Runde schon wieder beim Skat und sind die anderen Reisegefährten mit sich selbst beschäftigt. Sibylle und Faber, der sich am Bahnhof noch mit Zeitungen eindeckt, steigen in den Zug um. Er rollt zunächst durch eine Industriegegend. Dann wird die Landschaft schön und grün.
Die Schlagzeilen freilich verbessern sich nicht.
»Schlimm?« fragt Sibylle.
»Der Krieg rückt immer näher«, sagt er.
»Meinst du das wirklich?«
»Ja. Er wird diese braune Bewegung vernichten, zuvor aber womöglich ganz Deutschland.«
Sibylle nimmt die Zeitung aus seiner Hand, knüllt sie zusammen und wirft sie aus dem Abteilfenster. »Wir sind im Urlaub«, sagt sie. »Laß dich bitte von mir nicht mehr beim Zeitungkaufen erwischen.«
Am Nachmittag sind sie am Ziel, fahren mit dem Taxi zur ›Villa Teresina‹ hoch. Eine Wirtin, die wie eine
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