Heldensabbat
viel aus dir machen«, antwortet der Betriebsführer.
»Hübsch gesagt«, versetzt Cora. »Aber traktiere mich bitte nicht damit.« Mit einem Ruck stößt sie sich vom Schreibtisch ab, drückt ihre Zigarette aus. Mit ihren hohen Absätzen ist sie Bertram jetzt über den Kopf gewachsen. Sie nickt ihm lächelnd zu. Ihr ganzer Körper schwingt melodisch, als sie auf die Türe zugeht.
»Heute Abend?« ruft ihr der Fabrikant nach.
»Ich tu', was ich kann«, entgegnet Cora.
»Mit wem bist du eigentlich verabredet?«
»Das sag' ich nicht«, erwidert sie. »Eine Frau muß ihre kleinen Geheimnisse haben.« Sie wirf: ihm eine Kusshand zu. »Ich geb' dir noch Bescheid, Gustav.«
Cora schlendert über den Gang. Die Arbeitskollegen, denen sie begegnet, grüßen sie betont freundlich, weit respektvoller als vor ihrer Reise nach Prag. Dafür geben sich die gehobenen Chargen, die sie bis vor kurzem noch mit Einladungen zum Abendessen und ins Kino verfolgt haben, nunmehr weit distanzierter. Ihre Lippen kräuseln sich zu Spott, wenn sie es bemerkt. Männer, denkt sie, Männer sind wie Kinder. Aus Kindern macht sie sich wenig, aber sie ist von Kopf bis Fuß auf Männer eingestellt.
Schon von weitem zieht Heinemann, der Chauffeur, seine Mütze. Wenn sein Chef in München ist, versieht er über die neue Autobahn München – Berlin den Kurierdienst nach Mainbach. Mindestens zweimal wöchentlich pendelt er jetzt zwischen Oberfranken und Oberbayern hin und her, um wichtige Unterlagen und die Post herbeizuschaffen.
»Soll ich die Post ins Vorzimmer bringen, Frau Nimmwegh?« fragt er.
»Ins Direktionskabinett. Ich sichte sie gleich zur Vorlage bei Herrn Bertram.« Cora hat wenig zu tun, aber gleich zwei Schreibtische okkupiert; einer steht im Vorzimmer des Firmenchefs, neben dem der eigentlichen Sekretärin, Paula Schuster. Zusätzlich hat man der Berlinerin am Ende der Direktionsetage einen Raum eingerichtet, eine Spielwiese ihrer Langeweile.
»Würden Sie bitte Herrn Ingenieur Häberlein mitteilen, daß er dringend in Mainbach erwartet wird, Frau Nimmwegh?« sagt Heinemann. »Die kommen dort nicht ohne ihn zurecht. Ich fahre spätestens in zwei Stunden zurück, vielleicht kann Herr Häberlein gleich mitkommen.«
»Wird erledigt«, sagt Cora und sieht auf die Uhr. »Abfahrt so gegen vierzehn Uhr?«
»Ja, wenn ich nichts anderes höre.«
»Warten Sie bitte in der Kantine auf ihn.« Cora schenkt dem Chauffeur ein Lächeln, das sofort erlischt, sowie Heinemann den Raum verlassen hat.
Sie zündet sich eine Zigarette an, dann beginnt sie im Direktionskabinett mit der Sortierung der Post. Angebote. Bewerbungen. Rechnungen. Werbeunterlagen. Wirtschaftsauskünfte. Die Geschäftskorrespondenz interessiert sie weniger; die private erscheint ihr wichtig. Aber das Familienleben des Betriebsführers wird zur Zeit vorwiegend wohl über das Telefon abgewickelt.
Die Berlinerin nimmt den Hörer ab, verlangt den Ingenieur. »Mainbach ruft nach Ihnen, Herr Häberlein«, sagt sie. »Eine Panne. Sie könnten um vierzehn Uhr mit Herrn Heinemann losfahren.«
»Ausgerechnet heute, wo ich Theaterkarten habe«, entgegnet der Ingenieur.
»Pech gehabt«, erwidert Cora arrogant. »Vielleicht werden Sie sie wieder los. Vierzehn Uhr in der Kantine. Alsdann, gute Fahrt!«
Die Direktionsassistentin wühlt wieder in dem Postberg. Ganz zuletzt entdeckt sie einen Brief. »An die Bertrag, Mainbach, z.Hd. Fräulein Sibylle Bertram oder Vertretung.«
Das gibt Cora das Recht, ihn zu öffnen. Sie dreht das Schreiben um. Absender: NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude. Sie öffnet den Umschlag. »Sehr geehrtes Fräulein Bertram«, liest sie dann, »der guten Ordnung halber teilen wir Ihnen mit, daß die von Ihnen gewünschte Umbuchung in Ordnung geht; anstelle von Herrn Rolf Bertram wird also Dr. Hans Faber an der KdF-Reise nach Italien teilnehmen. Wir hoffen, Ihnen mit dieser Auskunft gedient zu haben. Heil Hitler!« Unterschrift.
Cora liest den Text noch einmal durch, ganz langsam, Wort für Wort. Sie erfaßt sofort, daß diese Umänderung hinter dem Rücken des alten Bertram erfolgt sein muß. Dr. Hans Faber? Nie gehört! Vermutlich ein Liebhaber oder so etwas. Und wo treibt sich dann Rolf herum, der hoffnungsvolle Sprößling? Die Rothaarige, die weiß, was sie will, begreift, daß ihr erstmals gegen die Familienphalanx eine Waffe in die Hände gespielt wurde.
Sie ist viel zu gerissen, sie gleich auszuspielen.
Zunächst einmal drillt Cora ihren Chef wie
Weitere Kostenlose Bücher