Heldensabbat
ich will's versuchen«, entgegnet Cora. »Warum eigentlich?«
»Ich möchte bei diesem schönen Wetter mit dir hinausfahren, nach Starnberg, oder vielleicht noch ein Stück weiter.«
»Und wenn uns jemand sieht?«
»Dann ist dieses dumme Versteckspiel endlich vorbei«, erwidert der Industrielle. »Und ist der Ruf erst ruiniert«, albert er, »dann lebt sich's völlig ungeniert.«
»Am Morgen bist du immer sehr stark, Gustav«, antwortet Cora.
»Nachts doch auch –«, versetzt er. »Oder bist du unzufrieden mit mir?«
»Nachts stehst du schon deinen Mann«, erwidert die Flammendrote anzüglich. »Aber das habe ich nicht gemeint«, korrigiert sie sich. »Du weißt doch ganz genau, daß der Teufel los ist, wenn deine Frau etwas von unserer Beziehung erfährt.«
»Mathilde«, entgegnet Bertram mit angewidertem Gesicht. »Eine graue Maus. Eine stillgelegte Ehefrau.«
»Und deine Tochter?«
»Lass meine Kinder aus dem Spiel«, wird er heftig. »Über meine Frau kannst du meckern, so viel du willst, aber Rolf und Sibylle sind nun einmal mein Sohn und meine Tochter und werden es auch immer bleiben.«
»Deshalb hast du ihnen ja auch die KdF-Reise nach Italien geschenkt«, erwidert Cora. »Wie familiär. Ich hab' wirklich nichts dagegen, nur kränkt es mich schon ein wenig, daß ich mich immer verstecken muß, wenn deine Tochter im Anzug ist.«
»Sibylle würde es sofort ihrer Mutter erzählen, wenn sie merkt, daß zwischen uns etwas ist.«
»Na und?« entgegnet die Direktionsassistentin zur besonderen Verwendung. »Das nimmst du doch heute Abend auch in Kauf.«
»Es ist doch wohl meine Sache, es meiner Frau mitzuteilen, wann ich mich von ihr trennen will.«
»Und wann wird das sein?« fragt die kesse Assistentin.
»Bald.«
»Einen verbindlicheren Termin kannst du mir nicht nennen?«
»Bei der nächsten Gelegenheit –«
»Die hattest du zum Beispiel an Ostern, du wolltest dich doch mit deiner Frau aussprechen –«
»Keine Gelegenheit«, brummelt Bertram.
»Und eigentlich ja auch schon vorher, an Weihnachten.«
»Sei nicht kindisch, Cora«, erwidert er. »Fünfundzwanzig Ehejahre lassen sich nicht so einfach unter den Teppich kehren. Außerdem sind da noch einige vermögensrechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Aber ich stehe es durch, das garantiere ich dir.«
Cora nickt lustlos. Wie eine Grammophonplatte, denkt sie. Alle sagen sie das Gleiche, als würden sie voneinander abschreiben: vermögensrechtliche Schwierigkeiten, unverbindliche Termine, Peinlichkeiten mit den Kindern, Selbstmitleid. Ungreifbare Versprechungen: immer dasselbe. Seit ihrer Scheidung, die auch ein Fiasko war, ist Cora schon zweimal ausgerutscht, ein drittes Mal soll es nicht geschehen. Diesmal führt sie ihren Kandidaten so sicher wie einen Tanzbären am Nasenring – er dreht sich willig nach ihrer Pfeife.
»In vierzehn Tagen wird deine neue Wohnung fertig«, verspricht Bertram. »Sie wird richtig schnuckelig, Verlass dich darauf. Ich hab' die Arbeiter ordentlich angetrieben.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Cora ist nur mäßig interessiert. Sie hat schlechte Erfahrungen mit Werkswohnungen, aus denen man unter Umständen schneller hinausfliegt, als man eingezogen ist. Eine Villa ist ihr Wohnziel, ob sie nun schnuckelig ist oder nicht.
Cora lächelt dem Industriellen zu.
Sein Blick klebt an ihren Fesseln, gleitet langsam hoch, höher, wo ihre Beine ins Endlose wachsen. Der Mann in den besten Jahren kann nicht anders, er muß sie anstarren, und er muß sich gewaltsam beherrschen, um Cora nicht an sich zu reißen.
Die Berlinerin beobachtet seinen Kampf mit weit geöffneten Lippen. »Damit wir uns nicht missverstehen«, sagt sie und greift nach einer Zigarette, abwartend, daß ihr Bertram Feuer gibt, »deine Kinder werden selbstverständlich immer deine Kinder bleiben. Sie sind ja auch schon erwachsen. Gegen deinen Sohn und deine Tochter hab' ich überhaupt nichts einzuwenden.« Sie bläst affektiert den Rauch aus. »Deine Frau ist meine Gegnerin.«
»Lächerlich«, erwidert Bertram. »Meine Frau ist eine alte Frau«, setzt er grob hinzu. »Und du bist eine junge Frau. Und eine wunderschöne. Und eine, die ich liebe«, ergänzt er, »viel zu sehr.« Er riskiert eine verunglückte Annäherung. »Mußt du dich eigentlich immer so aufreizend anziehen?« fragt er dann.
»Reize ich dich?« fragt sie tändelnd.
»Leider nicht nur mich.«
»Eifersüchtig?«
»Wenn ich das nicht wäre, würde ich mir wohl nicht so
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