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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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»Alles halb so wild.«
    Flüsternd fragt sie: »Warum trägst du denn keine Unterwäsche?«
    »So kann ich mich besser bewegen«, antworte ich.
    »Ja, das mache ich manchmal auch so«, entgegnet Jessica. »Aber da muss man schon aufpassen, wie man sich hinsetzt. Und Kopfstand solltest du so auch nicht machen.«
    Sina ist froh, dass niemand von uns verletzt wurde. Auch Jessica scheint nicht nachtragend zu sein. Und ich fühle mich zum ersten Mal seit Tagen wieder entspannt. Die letzte halbe Stunde habe ich weder an die bevorstehende Präsentation noch an meine Überstunden mit dem Backoffice gedacht.
    Am Ende der Stunde machen wir alle zusammen die Schlussentspannung in der »Leichenstellung« Savasana. Dabei muss man zum Glück nicht aufhören zu atmen, sondern braucht sich nur ganz entspannt auf den Rücken zu legen. Ein paar der Teilnehmer stöhnen allerdings wie Zombies, als sie sich in die Haltung legen. Sina möchte sogar, dass wir »in den Boden hineinschmelzen«. Mit sanfter Stimme erzählt sie von dem »Ich«, das immer kleiner wird, von Gedanken, die kommen und die man »weiterziehen lassen« soll, den »Geräuschen von draußen, die immer mehr in den Hintergrund treten«, vom »Zurruhekommen des inneren Seins«. Mehr kriege ich nicht mehr mit, denn ehe ich es bemerke, bin ich eingeschlafen.
    Als jemand an meinem Zeh zieht, erschrecke ich mich dermaßen, dass ich »Huch!« rufe. Ich brauche ein paar Augenblicke, bis ich begreife, wo ich bin. Sina, die mitten in dem nun abgedunkelten Raum steht, hält sich den Finger an den Mund. Ich blicke zur Seite. Jessica hat die Augen geöffnet. »Du hast geschnarcht!«, flüstert sie.
    »Kann gar nicht sein, ich schnarche nie«, flüstere ich zurück.
    »Doch«, höre ich Error von der anderen Seite raunen.
    »Und wie«, ergänzt eine ältere Frau.
    Sicherheitshalber zwinge ich mich, die letzten Minuten der Schlussentspannung die Augen offen zu halten, aber sie fallen sofort wieder zu.
    Am Ende der Stunde verabschieden wir uns mit einer Verbeugung. Sina und die anderen sagen dabei »Namasté«.
    »Hat es euch gefallen?«, will sie wissen, als Error und ich wieder in unsere normalen Kleider geschlüpft sind. Error nickt begeistert, ich zucke mit den Achseln. Denn ehrlich gesagt war meine erste Yogastunde wohl eher ein Fiasko. Aber trotzdem fühle ich mich gar nicht so schlecht. Sina geht zu einem Ständer, auf dem Flyer stehen, greift einen heraus und reicht ihn mir. Darauf steht: Heraus aus dem Hamsterrad  – Neue Energie für Manager .
    »Das kannst du vielleicht gebrauchen«, meint sie.
    Reflexartig stecke ich den Flyer ein.
    Error kauft eine Dreimonatskarte. Mein Geld reicht dafür nicht. Sina, die Error die Karte ausgestellt hat, sieht hoch.
    »Kann ich die auch abarbeiten?«, frage ich.
    Sie zieht die Stirn in Falten und mustert mich verwundert.
    »Etwas ungewöhnlich, dass ein Berater eine Yogalehrerin anschnorrt, oder?«
    Ich nicke. Und vor allem ganz schön peinlich.
    Plötzlich zieht ein Lächeln über ihr Gesicht. »Ich habe eine Idee. Dir liegt ja so viel an meiner Qualifikation, oder?«
    Ich seufze. »Das war wirklich nicht so gemeint. Tut mir leid.«
    »In zwei Monaten habe ich meine Yogalehrer-Prüfung. Dafür brauche ich ein Modell, an dem ich meine Unterrichtsweise demonstrieren kann, am besten einen absoluten Laien. An dir kann ich gut zeigen, was die meisten Leute falsch machen. Außerdem bist du in der Lage, Anweisungen umzusetzen. Wenn du mir bei der Prüfung Modell stehst, darfst du hier umsonst üben. Schließlich hast du wirklich Tapas!«
    Spanische Vorspeisen? Ich frage lieber gar nicht nach.
    Nach einem schnellen Bier bei Wumme verabschiede ich mich von Error, der sich »irgendwie stoned, aber wach« fühlt, und hole die Pizzen für Jay, Thomas und Ben.
    Während mein Backoffice sein spätes Abendbrot isst, schaue ich im Internet nach, was Sina wohl mit »Tapas« gemeint hat. Im yogischen Sinne bedeutet »Tapas«, dass jemand »mit Eifer dabei« war – oder eben »Eier gezeigt« hat.

Follow-on
    Seltsam. Ich stehe mit Jessica vor Mesuts Boxfabrik, in der ich vor fast einem Monat ihren Chef, meinen Vater, K. o. geschlagen habe. Mesut hat den Laden tatsächlich an Khamroff verkauft, und der hat ihn zu seinem Übergangs-Headoffice gemacht. Zu meiner Müdigkeit kommt ein fieser Yoga-Muskelkater dazu. Den lasse ich mir natürlich nicht anmerken, denn Jessica zeigt keinerlei Beschwerden.
    In letzter Zeit bin ich ziemlich oft zum Yoga gegangen

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