Heldenstellung
altbacken aus wie vorher.
»Hat sich viel getan«, meint Mesut und grinst. Dann stellt er uns Danilo Wasiljewitsch vor, Khamroffs rechte Hand und ab sofort als Deutschlandchef eingesetzt, um den Umbau der anderen Studios zu betreuen. Er ist etwas rundlich, trägt einen Nadelstreifenanzug und erinnert mit seinem Einstecktüchlein eher an die Stammkunden der Londoner Savile Row als an einen Fitnessmanager.
»Über ihn ist Adam an das Projekt gekommen«, flüstert mein Vater. »Khamroffs Cousin. Aber es geht darum, dass du den großen Boss überzeugst.«
Danilo sieht an uns herunter, begutachtet offenbar unsere Anzüge. Sein Blick bleibt etwas länger an mir hängen als an den anderen.
»Herzlich willkommen«, sagt er mit sehr, sehr warmer Stimme, »Monsieur Khamroff ist noch nicht bereit, und Ihr Kollege war noch etwas schneller als Sie. Vielleicht mögen Sie Hallo sagen.« Gerade will ich fragen, von welchem Kollegen er spricht, da bedeutet mir mein Vater, lieber zu schweigen.
»Lassen Sie mich Sie durch das Geschäft führen«, sagt Danilo und kichert affektiert. »Schließlich bin ich ja der Geschäftsführer.« Wir folgen ihm vorbei an neuen Kraftmaschinen und versiegelten Turnmatten. »Nächste Woche streichen wir die Wände«, erklärt er und zwinkert mir zu.
»In welcher Farbe?«, frage ich.
»Das steht sicher in Ihrer Präsentation«, antwortet er und zwinkert mir zu. »Auch Herr Khamroff ist sehr gespannt. Dieser Laden soll das Flagship für alle anderen Filialen werden. Fehlt nur noch das Konzept«, sagt er fröhlich. »Ich habe schon mal die hässlichen Sachen rauswerfen lassen.«
In einem gläsernen Raum tanzen Frauen in Pluderhosen zu einer Mischung aus Rumba-Beats und Kirmes-Techno. Das Grinsen der Trainerin steht in schönem Kontrast zu den angestrengten Gesichtern der Kursteilnehmerinnen.
»Das ist Zumba«, erklärt Danilo beiläufig. »Haben wir jetzt neu im Programm. Sollten Sie mal versuchen.« Er zwinkert mir schon wieder zu. »Ich mache da manchmal selbst mit, um mich fit zu halten. Und auch Khamroff ist ein großer Fan.«
Überrascht mich nicht. Diesen neuen Russen ist ja nichts zu exzentrisch. Mein Vater grinst, auch Jessica zeigt den Anflug eines Lächelns. Aber ich sauge jede Information auf wie ein Schwamm. Wer weiß, wann ich sie gebrauchen kann.
Danilo fährt fort: »Wir wollen besser sein als die anderen, und dafür werden wir investieren. Geld haben wir mehr als genug – perfekte Studios noch nicht.«
Na super, damit wäre unser EgoFit-Plan also gestorben.
Auf einer Hantelbank entdecke ich Adam. Über ihm sichert ein riesiger Bodybuilder die schwere Doppelhantel. Unser Weg führt direkt an ihm vorbei. Ich höre das rhythmische Keuchen, mit dem er die Gewichte nach oben stemmt. Sein Kompagnon feuert ihn bei jedem Stoß auf Russisch an. Als wir bei ihm ankommen, hat er sich gerade aufgesetzt, öffnet und schließt die Hände, als prüfe er, ob er sie überhaupt noch bewegen kann. Danilo kommt auf ihn zu und begrüßt ihn mit einer Umarmung.
»Die lieben Kollegen!«, sagt Adam etwas außer Atem. Dann erzählt er, dass er hier seit Jahren trainiere, um sich »für den Job fit zu halten.« Er tritt beiseite und macht eine einladende Geste in Richtung seiner Seilzugmaschine. Alle sehen mich erwartungsvoll an. »Als guter Berater solltest du dich mit deiner Materie auskennen«, stichelt Adam und deutet auf eine in der Luft hängende Querstange. Ich kann jetzt keine Rücksicht auf meinen Yoga-Muskelkater nehmen, ziehe an der Querstange und wuchte die Gewichte hoch. Einmal, zweimal, dreimal, dabei halte ich Adams Blick. Plötzlich fährt mir ein stechender Schmerz in den Rücken. Vor Schreck lasse ich die Stange los, und die Gewichte knallen aufeinander. Das wäre mir beim Yoga nicht passiert.
»Ja, manche Sachen sind wohl einfach zu schwer für dich«, verkündet Adam. Alle lachen. Ich bemühe mich, aufrecht zu stehen. Jessica öffnet ihre Handtasche, holt routiniert eine Tablette heraus und steckt sie mir zu.
»Gegen die Schmerzen«, sagt sie.
Mein Vater schnappt sich die Hantelstange und wuchtet die Gewichte hoch, als seien sie aus Styropor. Danilo klatscht in die Hände wie Andy Warhol beim Anblick von Arnold Schwarzenegger.
Als mein Vater mit seiner Machtdemonstration fertig ist, sieht er Adam verärgert an: »Solltest du um diese Zeit nicht im Büro sein?«
»Da komme ich gerade her. Wir haben heute Nacht die Weidenberg-Präsentation überarbeitet. Ich habe mein
Weitere Kostenlose Bücher