Heldenstellung
ich Ihnen ein Konzept präsentieren. Das wird aber nicht billig.«
»Es wird uns unsterblich machen«, entgegnet Khamroff. Er will sogar persönlich vorbeikommen und sich die Präsentation vor Ort anschauen: »Ich will, dass ihr das Studio so umbaut, wie EcoFit aussehen soll. Ich will auf dem Laufband Strom erzeugen. Ich will beim Hantelnheben Energie produzieren. Ich will neue Maschinen, neue Farben und Öko-Sprüche an den Wänden.« Er deutet mit dem Finger in die Laptopkamera. »So etwas wie: Der Baum ist dein Bruder, und deine Schwester ist ein Hase. « Ich tue so, als ob ich mitschreiben würde.
»Ein Rat noch, Sohnemann: Hören Sie mit diesem Zumba-Quatsch auf.«
Ich schaue zu Danilo hinüber. Der grinst und zuckt entschuldigend mit den Schultern.
»Ich wollte Sie halt mal tanzen sehen«, verteidigt er sich bockig. In Zukunft werde ich mich vor ihm in Acht nehmen.
»Haben Sie sonst noch irgendwelche Frauenhobbys?«, fragt Khamroff.
»Nein«, sage ich. Yoga ist schließlich ein Männersport.
Mein erster Klient beendet die Konferenz mit einem Lächeln im Gesicht.
Plötzlich sehne ich mich nach der Stille des Yoga-Studios.
Mein Vater legt mir den Arm um die Schulter: »Gut gemacht«, murmelt er.
Als ich mich von Danilo verabschiede, drückt er mir seine Karte in die Hand. »Ich weiß, Sie haben viel zu tun, aber wenn Sie noch mal so eine gute Idee haben, dann rufen Sie mich an.«
Als wir zurück in die Agentur fahren, will mein Vater seinen Arm gar nicht mehr von meinen Schultern nehmen. Er lobt die perfekte Dramaturgie meiner Präsentation, die Tatsache, dass der Kunde den ersten Vorschlag ablehnen konnte, dass ich die drohende EgoFit-Schlappe mit dem EcoFit-Kniff am Ende noch einmal gedreht habe.
»Das war genial«, meint er. »Aber eine Frage musst du mir noch beantworten. Wie bist du auf diese schwachsinnige Idee mit dem Hamsterrad gekommen?«
Die Brücke
Drei Wochen später versuche ich mal wieder, in der Hundestellung meine Schale zu leeren. Aber die ist bis oben hin voll. Muss unbedingt dran denken, mir eine zweite zuzulegen.
Am Tag nach der Khamroff-Präsentation ist ein Foto von mir im Intranet aufgetaucht, auf dem ich Zumba mache, weshalb nun jeder Kollege, der mir auf dem Gang entgegenkommt, meint, einen Latino-Disco-Tanzschritt improvisieren zu müssen. Für Außenstehende muss es aussehen, als würde ich in einem Musical arbeiten.
Adam habe ich nun schon eine Woche nicht mehr gesehen. Mein Vater überhäuft ihn mit Arbeit, wahrscheinlich will er ihn mir einfach vom Hals halten. Auch er selbst ist dauernd unterwegs »auf Akquise« und schläft meist im Büro. Allerdings habe ich ihn noch nie dabei gesehen.
Bei Caesar & Horn herrscht die totale Entkopplung von Raum und Zeit. Schlafen, frühstücken, Zeitung lesen, arbeiten. Das aktuelle Projekt hat immer Vorrang vor allem. Niemand verschwendet Zeit mit ausgewogener Ernährung, regelmäßigem Schlaf oder gemütlichen Fernsehabenden. Ich arbeite gefühlte 23,5 Stunden pro Tag an EcoFit .
In Wummes Metall-Eck oder im Kino war ich schon ewig nicht mehr. In der Zeitung habe ich neulich von diesem Yogafilm Der atmende Gott gelesen, der ziemlich gut sein soll. Den würde ich eigentlich gern mal mit Jessica anschauen. Blöderweise hatte ich noch keine Zeit, sie zu fragen.
Dabei nimmt mir mein Backoffice schon viel Arbeit ab: Ben verbringt mittlerweile die meiste Zeit bei unserem Dienstleister »Lab«, einer Mischung aus Bastelkeller und Elektroladen, das gern James Bonds geheimes Waffenlabor wäre. Mein Vater hat das »Lab« gegründet, als sich herausstellte, dass einige Kollegen technisch noch versierter sind als wirtschaftlich. Seitdem übernimmt es nicht nur die komplette Computertechnologie von Caesar & Horn, sondern liefert immer wieder auch technische Spielereien als Prototypen für Präsentationen.
Ben hat hier seine zweite Heimat entdeckt. Während Thomas und Jay dieEcoFit-Idee ausarbeiten, hat Ben einen Zwitter aus Akku und Scheckkartengerät erfunden, mit dem die Trainierenden den gewonnenen Strom einspeisen können. Wir konzipieren die Personalstruktur nach Khamroffs Vorgaben, suchen Experten für vegane Ernährungskonzepte, ökologische Wandfarben für das Studio und verhandeln mit Öko-Baumwollfirmen über T-Shirts mit hundertprozentig abbaubaren Aufdrucken. Außerdem versuchen wir gerade, anderen Firmen ihre Klimawandel- und Öko-Spezialisten abzuwerben.
»Leere deine Schale, Frederick«, höre ich Sina
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