Heldenstellung
mir herüber und beeilt sich zu sagen: »Das muss eine Verwechslung sein, er ist gar kein Taxifahrer.«
Aber Hari lässt sich nicht beirren. »Dank diesem jungen Mann bin ich drei Stunden durch den Regen gelaufen und habe mir eine Lungenentzündung eingefangen.«
Sina sieht mich entgeistert an. »Stimmt das?«
Ich nicke traurig. Ihr steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Die anderen Teilnehmer haben alles so mucksmäuschenstill mitverfolgt wie die letzten Minuten im Sonntagabend-Tatort. Hari zwingt sich sichtlich zu einem Lächeln.
»Na, dann wollen wir mal schauen«, sagt er und bittet mich aufs Podest wie der irre Arzt im Fantasyfilm sein Versuchskaninchen. Diesmal mache ich wirklich alles falsch und kann mich beim besten Willen nicht an die Dinge erinnern, die ich schon gelernt habe. Gnadenlos zeigt Hari vor allen meine Schwächen auf, dehnt mich, bis es knackt, und wenn ich vor lauter Anstrengung Krämpfe kriege, sagt er nur: »Das geht wieder weg.« Dabei sieht er mich auffordernd an. Aber ich kann jetzt nicht einfach verschwinden. Er hat ja selbst gesagt, wenn man die Dinge in sein Herz gelassen hat, ist man dafür verantwortlich. Und neben meinem neuen Job habe ich mir nun auch noch die Verantwortung fürs Yoga eingebrockt.
Als wir am Ende in der Schlussmeditation sitzen, bin ich zum ersten Mal nach dem Üben überhaupt nicht entspannt. Wie schade, gerade habe ich Gefallen am Yoga gefunden, da kann ich schon wieder damit aufhören. Ich werfe einen Blick zu Error. Der hat sich schon bestens in die Yogagruppe eingefügt.
Später in der Umkleidekabine plaudert er so ungezwungen mit Zoe, als würde er bei Wumme sein drittes Bier bestellen.
Ich nehme Sina beiseite. »Es tut mir total leid«, beginne ich. »Dass ich Hari bei strömendem Wetter aus dem Wagen geschmissen habe. So etwas macht man nicht.«
Sina schaut mich skeptisch an. »Warum hast du es dann gemacht?«
Ich zucke mit den Schultern.»Das war ein ganz mieser Tag für mich, und ich . . . Er war mir wohl einfach zu ausgeglichen«, versuche ich es zu erklären. »Aber das verstehst du wahrscheinlich nicht.«
Sina seufzt. »Doch, das verstehe ich gut.« Sie atmet durch. »Passiert ist passiert, und du würdest so was ja nicht noch mal machen, oder?«
»Nein!« Instinktiv hebe ich Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand zum Schwur in die Luft. »Großes Berater-Ehrenwort.«
Wieder so ein skeptischer Blick. Sina scheint mir nicht zu glauben.
»Ich werde einen Weg finden, die Sache wiedergutzumachen. Versprochen. Als Erstes besorge ich dir diesen Yogafilm, von dem gerade alle reden. Wie hieß er noch gleich?«
Sinas Gesicht hellt sich auf. » Der atmende Gott? Aber der kommt doch jetzt erst ins Kino.« Sinas Augen leuchten verräterisch.
»Ein Freund von mir kennt den Cutter und kann eine Rohfassung bekommen«, lüge ich. »Die ist vielleicht noch nicht perfekt abgemischt, aber . . .«
»Cool!«, sagt Sina strahlend. »Das wäre super. Auch als Vorbereitung für die Prüfung.«
»Gut, dann bringe ich dir den Film einfach mit, sobald ich ihn habe.« Natürlich habe ich nicht die geringste Ahnung, woher ich ihn bekommen soll. Aber da kann mir mein Backoffice bestimmt weiterhelfen.
»Das ist echt lieb von dir, aber ich habe leider keinen Fernseher und auch keinen DVD-Player. Wegen der Strahlung, du weißt schon . . .«
»Kein Problem. Wir können den Film ja bei mir zuhause schauen«, sage ich sofort. »Mein Vater besitzt die beste HiFi-Anlage aller Zeiten.« Dass ihm auch das dazugehörige »Zuhause« gehört verschweige ich ihr. Welcher erwachsene Mann wohnt denn noch bei seinen Eltern? Außerdem lebt mein Vater ja eh in der Agentur. Der Gedanke, allein mit Sina fernzusehen, ist mir nicht ganz geheuer. Schon wegen Error.
Ihr offenbar auch nicht. »Vielleicht haben Erol und Jessica auch Lust, mitzuschauen?«, fragt sie. Erleichtert nicke ich. »Dann frage ich ihn und du Jessica, okay?«
Sina nickt und deutet mit dem Kopf zu Hari hinüber, der von einer Schar seiner überwiegend weiblichen Anhänger umgarnt wird. Habe verstanden.
Ich stelle mich dazu. Bei der ersten Gelegenheit grätsche ich ins Gespräch und bitte Hari um fünf Minuten unter vier Augen. Er entschuldigt sich bei seinen Fans und führt mich in sein Yogabüro.
Dort stehen goldene Buddhafiguren und Klangschalen herum. An den Wänden hängen Fotos von Haris Indienaufenthalten, Gruppenbilder mit typischen Yogalernenden und Lehrern, versehen mit Jahreszahlen von
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