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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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kann sie da so sicher sein?«, wollte ich wissen. »Das sind doch nur die üblichen Warnungen aus uralten Legenden, mit denen man Feiglingen Angst einjagen will.«
    »Halt meine Mutter nicht für feige!«, warnte mich Eisarn. »Die Mutter ihrer Mutter hat das Tor einmal öffnen lassen. Für einen übereifrigen Krieger, an den sie ihr Herz verloren hatte und der beweisen wollte, dass der Slahis Sabba ebenso tot ist wie seine Opfer. Nun, er täuschte sich, und für seine Täuschung hätte um ein Barthaar meine gesamte Sippe mit dem Leben bezahlt. Mag sein, dass der Slahis Sabba sich nie wieder rühren wird. Der finstere Keim, den er anderen eingepflanzt hat, treibt jedoch immer noch Wurzeln aus.«
    »Dann war unsere Reise hierher völlig für den Wind?«, fragte Galt zerknirscht.
    »Nein«, entgegnete Eisarn. »Zerschlagt eure Hoffnungen noch nicht! Ich werde euch den Schlüssel schon besorgen. Aber nur, wenn ihr mich davon überzeugen könnt, lebend an den Toten vorbei und auch wieder zurück zu kommen. Ohne die Plage aus der Grube mit euch zu schleppen, versteht sich.«
    Was die kleine Tonne da von uns verlangte, war nur auf eine einzige Art zu erreichen: durch Zauberei. Mächtige Zauberei, die einer Sache einen anderen Anschein geben kann als das, was sie im Kern ihres Wesens ausmacht. Wir mussten einen Weg finden, als Lebende unter die Toten zu gehen, ohne dabei aufzufallen.
    Waldur und mir war klar, dass es nur einen Ort auf dieser Welt gab, den wir rechtzeitig erreichen konnten und an dem Geschöpfe lebten, die uns diesen Wunsch erfüllen konnten. Dass es Geschöpfe waren, um die unheimliche Sagen kreisten, wonach sie mit ungebetenen Gästen nicht gerade zimperlich umsprangen, spielte da keine Rolle.
    Doch diesen Teil der Geschichte kennt ihr bereits, und es lohnt sich nicht, ihn zu wiederholen. Ihr wisst, dass wir mehr als nur die bloße Unterstützung der Elfen gewinnen konnten. Einer von uns gewann das Herz einer Elfe …
    Nur so viel: Nachdem Nimarisawi ihren Zauber auf uns gewirkt hatte, hätten uns unsere eigenen Mütter kaum wiedererkannt. Das Fleisch hing uns schlaff und weich um die Knochen, unsere Haut hatte die Farbe ranziger Butter, und unsere Augen waren tiefer in die Höhlen gekrochen als ein Kaninchenjunges, wenn es draußen die Hunde bellen hört. Und wir stanken. Dridd, wie erbärmlich wir stanken. Wie eine Gerbergrube an einem schwülen Sommertag.
    Unsere Erscheinung war eindrucksvoll – oder widerwärtig oder beides – genug, um Eisarn davon zu überzeugen, dass die ruhelosen Toten uns für ihresgleichen halten würden.
    Nun galt es also für ihn, seinen Teil der Abmachung zu erfüllen. Er gelangte auf zwergische Art ans Ziel: Er lockte seine Mutter und die Günstlinge, die beständig um sie herumscharwenzelten, in einen Trinkwettbewerb. Habe ich nicht erwähnt, dass Eisarn ein Fass auf zwei Beinen ist? Doch, habe ich. Was das Saufen angeht, ist er ein Fass ohne Boden. Ich war selbst dabei, als er einmal – Halt! Das kann ich später einmal zum Besten geben.
    Machen wir’s kurz: Eisarn leerte Horn um Horn und soff einen nach dem anderen unter den Tisch. Zwei volle Tage hat das Gelage gedauert, und wenn man Eisarn Glauben schenken kann, sind weder er noch seine Mutter noch deren Schranzen dabei ein einziges Mal aufgestanden. Sie haben sich einfach einen Eimer bringen lassen, wenn das Gesöff wieder aus ihnen herauswollte. Kann gut sein, dass das die Regeln für ein solches Kräftemessen der Gurgeln unter den Zwergen sind. Wer aufsteht, hat verloren. Wer keinen Zug mehr schafft, sobald ein Trinkspruch ausgerufen wird, hat verloren. Wer sich einnässt, hat verloren. Und wer einschläft, hat erst recht verloren.
    Eisarns Mutter muss eingeschlafen sein, denn wie sonst hätte er ihr den Schlüssel stehlen können, der ihr an einer Kette um den Hals hing? Stellt man sich vor, dass Eisarn kaum noch aufrecht gehen konnte, alles doppelt und dreifach vor sich sah und sich die Welt um ihn herum vermutlich drehte, als säße er auf einer Töpferscheibe … nun, dann ist es traurig und komisch zugleich, dass er ausgerechnet in diesem Zustand den Frevel beging, der ihn seine Heimat kosten sollte.
    Volltrunken wie er war, suchte Eisarn uns auf. Wir schlichen uns an das Tor zur Grotte des Plagenvaters. Eisarn steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn. Es knirschte, knackte und krachte fürchterlich, als das alte Tor aufschwang. Aus dem Zwielicht dahinter wehte uns ein Gestank entgegen, gegen den

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