Heldenwinter
Schoß. »Ich sag dir was, Mann aus dem Kohlenkeller«, meinte er, schaute dabei aber weiter zu Tschumilal. »Du hast etwas mitgebracht, mit dem ich durchaus was anfangen könnte. Ich hab da einen anderen Schlüssel dabei, der gut in ein enges Schloss passt.«
Wiehern von links, Grunzen von rechts. Namakan sah die Kiefer seines Meisters mahlen.
»Dauert auch nicht sehr lange«, führte Pustelauge sein Angebot aus. »Und du kannst ruhig zusehen, wenn du willst. Vielleicht lernst du ja noch was. Oder liege ich falsch und du wedelst lieber mit deiner Rute in dem Arsch von dem Krüppel da?«
Dalarr riss sein Knie hoch. Die Tischplatte kam Pustelauge so schnell entgegen, dass er nicht einmal mehr schützend die Arme heben konnte. Ein Regen aus bunten Würfeln, Humpen und verschüttetem Wein prasselte auf den Nischenboden nieder.
Während der Dicke nur quietschte, sprang die Strähnenhaarige fauchend auf, um Dalarr in die zum Schlag erhobene Faust zu fallen.
»Schluss, Schluss!«, rief der Wirt drängend. Die Gäste, die nicht in das Handgemenge verwickelt waren, klatschten und jubelten.
Dalarr drückte das zeternde Weib gegen die Wand, indem er sie mit seinem quergelegten Unterarm auf ihrem Hals von sich wegschob. Pustelauge krabbelte hinter dem umgekippten Tisch hervor, die Nase blutig, das Geschwür daneben erstaunlicherweise nach wie vor unversehrt.
Namakan ging rasch auf alle viere und kroch unter die Bank, die sich unter der Last des Dicken bog. Da muss er irgendwohin sein. Seine Hände tasteten nach dem Schlüssel, fanden aber nur klebrige Flecken, Staub und etwas Kaltes, Weiches, von dem er nicht wissen wollte, was es war.
Namakan hörte ein Klatschen, gefolgt von einem zweiten, das von erhitzter Zustimmung der Zuschauer begleitet wurde. Es rumste zu seiner Linken. Die Strähnenhaarige war zu Boden gegangen, auf ihren Wangen glühte der gespreizte Abdruck von Dalarrs Pranke.
Gut so, Meister. Namakan kroch ein Stück voran und presste sich so eng an den Boden, wie es ihm seine kleine Wampe gestattete. Wo bist du, du verfluchtes Ding?
Seine Fingerkuppen streiften über Metall. Hab ich dich! Er reckte sich wie eine Schlange. Einer seiner Nägel verfing sich an einem spitzen Zacken. Vorsichtig begann er die Hand zurückzuziehen. Es klappt! Es klappt!
»Hat er nicht ein Messer?«, rief Tschumilal eine Warnung auf elfische Art.
Ein Messer? Namakan erstarrte einen Wimpernschlag vor Sorge um seinen Meister. Er glaubte, wie von fern einen Vogel pfeifen zu hören.
Dann ging ein Raunen durch den Raum, wie es Menschen von sich gaben, wenn sie Zeugen von etwas schier Unglaublichem oder besonders Beeindruckendem wurden. Doch schon wurde das Raunen von einem viehischen Gekreisch verschlungen, das jemand unmittelbar in Namakans Nähe ausstieß.
Namakan drehte den Kopf, um unter der Bank hervorzulugen. Er schaffte es gerade noch rechtzeitig, einem dünnen, gelben Strom auszuweichen, der seine Quelle zwischen den Beinen des Dicken hatte. Igitt!
Es war nicht der einzige Strom, der sich nun auf den Boden ergoss. Der andere war dicker, dicker und rot. Aus dem Schritt von Pustelauges Hose wölbte sich der Bogen eines Wurfrings, wie sie Tschumilal am Gürtel trug. Auf dem dunklen Lodenstoff breitete sich ein noch dunklerer, schnell wachsender Fleck aus.
Ihr Untrennbaren!
»Raus! Raus mit euch!«, schrie der Wirt. »Ich hol die Wache! Ich hol die Wache!«
Namakan schaffte es nicht, den Blick abzuwenden, als Pustelauge in die Knie ging. Der Mann, der jetzt kein Mann mehr war, kreischte noch immer wie am Spieß. Seine bebenden Hände zuckten zu der in seinem Gemächt steckenden Waffe, aber er brachte nicht den Mut auf, sie herauszuziehen.
»Raus! Ich hol die Wache«, beteuerte der Wirt noch einmal.
»Namakan, du Fifl!«, schalt Dalarr. »Was dauert da unten so lange?«
Getrieben von der Erschütterung – und von der Angst, mit Pustelauges Blut in Berührung zu kommen, das auf ihn zukroch – renkte sich Namakan beinahe die Schulter aus. Endlich spürte er den glatten Griff des Schlüssels in seiner Handfläche. »Ich hab ihn! Ich hab ihn!«
Ein Ring aus fassungslosen, bleichen Gesichtern begrüßte ihn, nachdem er eilig rückwärts unter der Bank hervorgekrochen war und sich von seinem Meister hatte aufhelfen lassen. Keiner der Gäste war bislang der Aufforderung des Wirtes nachgekommen.
»Gut gemacht«, lobte Dalarr knapp. »Wir gehen.«
Er fasste mit der einen Hand nach Namakans Arm, mit dem anderen nach
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