Heldenwinter
zu einer Kette, die sich in Richtung des Ufers fortzusetzen begann. Schließlich durchstieß ein nasser Scheitel das Wasser, dann waren eine nasse Stirn und schließlich der komplette, kantige Schädel Eisarns zu sehen. Mit missmutiger Miene stapfte der Zwerg die flache Uferböschung hinauf, hustend und keuchend.
Kaum hatte er wieder Luft in den Lungen, ballte er die Fäuste, schüttelte sie wild und krakeelte: »Mauer mir einer den Kackstollen zu! Du bist ja doch echt! Du bist echt!«
Dalarr war die Lust auf lange Begrüßungsumarmungen anscheinend ordentlich vergangen. Stattdessen wartete er, bis der zornige Kerl vor ihm stand, krallte die Hände in dessen Bart und zog die Matte mit einem Ruck in die Höhe. »Wo ist der Schlüssel?«, donnerte er über Eisarns Schmerzgeheul hinweg.
Der Zwerg tänzelte auf Zehenspitzen und schlug schwach um sich, doch seine Arme waren zu kurz, um seinen Quälgeist zu erreichen.
»Wo ist der Schlüssel? Spuck es aus!«
Endlich brachte Eisarn eine Antwort heraus, aber es war keine, die Dalarr gefiel.
Dass er seinen Meister in die Kaschemme begleitete, war für Namakan keine Frage. Die Tatsache, dass sich auch Tschumilal ihnen anschloss, anstatt wie die anderen draußen zu warten, überraschte ihn. Möglicherweise ertrugen ihre halbspitzen Ohren das Gejammer des Zwergs nicht, und ihr Verhalten war eher eine Flucht als ein Zeichen der Unterstützung.
Sämtliche Gespräche verstummten, als Dalarr den düsteren Schankraum durchquerte, um jene Nische zu erreichen, in der um einen runden Tisch drei große Menschen saßen. Sie lieferten einen weiteren Beleg für Namakans Vermutung, wonach Dalarr für seine Art ausnehmend anziehend war.
Der Erste der drei, der aufsah, hatte eine eitrige Pustel unter dem rechten Auge, die jeden Moment aufzuplatzen drohte. Er stellte seinen Würfelbecher ab, musterte Dalarr von oben bis unten und sagte: »Ganz in Schwarz? Bist wohl in einen Kohlenkeller gefallen, was?«
Der Erste von Pustelauges Mitspielern – ein dürres Weib mit strähnigem Haar und viel zu großen Zähnen – wieherte vor Lachen, der zweite, der es an Leibesfülle fast mit Eisarn aufnehmen konnte, grunzte amüsiert.
»Keinen Streit, ja?«, warf der bullige Mann ein, der hinter dem Schanktresen stand und einen Lappen benutzte, um den Dreck darauf noch tiefer ins Holz zu reiben.
»Ich bin deswegen hier.« Dalarr deutete auf einen Gegenstand, der vor Pustelauge neben drei Türmchen aus bunten Würfeln auf dem Tisch lag.
Pustelauge nahm das Ding in die Hand. Es musste der Schlüssel sein, nach dem Dalarr Eisarn gefragt hatte, aber er war von einer ungewöhnlichen Sorte. Sein Griff, der aus einem glänzenden schwarzen Stein gefertigt war, ähnelte eher einem Schwertknauf, und von dem handlangen Stiel gingen so viele gezackte Barten in alle Richtungen ab, dass man beinahe hätte meinen können, es handele sich bei ihm eigentlich um den Ast eines besonders dornigen Strauchs. »Was ist damit, edler Herr?«, erkundigte sich Pustelauge in überzogener Höflichkeit.
»Du hast diesen Schlüssel von einem Zwerg gewonnen«, sagte Dalarr ruhig.
»Stimmt. Und?«
»Er hätte ihn nie als Einsatz wählen dürfen.«
»Oha«, machte Pustelauge. »Und warum nicht?«
»Weil er ihm nur zur Hälfte gehört. Die andere Hälfte gehört mir.«
Namakan hörte das Scharren und Schaben von Holz auf Holz, als hinter ihm die restlichen Gäste begannen, Tische und Bänke zu verrücken – die einen sicherlich, um Abstand zwischen sich und den drohenden Zwist zu bringen, die anderen, um näher an das Geschehen zu gelangen.
»Tja«, schmatzte der Dicke. »Was machen wir jetzt? Soll mein Freund hier das Teil etwa in zwei Hälften brechen?«
Die Strähnenhaarige wieherte erneut, und das schrille Geräusch kratzte Namakan in den Ohren.
Dalarr beugte sich vor und stützte die Hände auf den Tisch. »Rück es raus. Es soll dein Schaden nicht sein. Zwei Taler scheinen mir Lohn genug für etwas, womit du nicht das Geringste anfangen kannst.«
Tschumilal hatte sich bisher in dem von Pfeifenrauch und Weindunst stickigen Raum umgesehen wie ein Kind, das zum ersten Mal in einen fürs Fest der Tauenden Gletscher geschmückten Schrein geführt wurde. Jetzt legte sie die Stirn in Falten. »Warum verhandelst du über etwas, das dir gehört?«
»Misch dich da nicht ein«, raunte Namakan ihr zu.
Pustelauge schenkte der Elfentochter einen langen Blick und leckte sich die Lippen. Seine rechte Hand rutschte in seinen
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