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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Tschumilals, als wäre er eine Keuschheitshüterin bei einem Maskenball, und zog die beiden mit sich zur Tür.
    »Wir gehen? Wir gehen?«, schnatterte Tschumilal aufgeregt. »Was ist mit meinem Elal Tscheb Kemikal?«
    »Der ist dort, wo er nun ist, doch bestens aufgehoben«, antwortete Dalarr und trat die Tür auf.
    Morritbi kam ihnen entgegengelaufen, aufgeregt mit den Armen rudernd und Kjell mit gezogenem Schwert im Schlepptau. »Habt ihr da drin ein Schwein geschlachtet?«
    »Könnte man so sagen, ja.« Dalarr ließ Namakan und die Halbelfe los, damit er Eisarn und Ammorna zuwinken konnte, die auf der anderen Straßenseite zurückgeblieben waren. »Wachst da nicht fest! Wir sollten Land gewinnen!«
    Der Zwerg trottete noch vor der Frau los, wenn auch nicht ohne Gejammer. »Beiß mir einer in den Arsch! Es ist genau wie früher, Dalarr att Situr. Wo du hinkommst, stiftest du Unheil. Man könnte meinen, du würdest keine anderen Freuden kennen.«

25
    Binde dich nicht an die, die dir nicht folgen können, weil ihre Zeit begrenzt ist.
    Aus den Lehren des Alten Geschlechts
    Die ersten beiden Tage auf ihrer Reise an jenen Ort, an dem Eisarn und Dalarr die Ketten der Ewigkeit sicher verwahrt hatten, erwiesen sich für die Wanderer als schwere Probe ihrer Geduld. Ihr neuer Begleiter wurde nicht müde, immer Neues zu finden, worüber er jammern konnte. So beschwerte sich Eisarn darüber, dass er abgesehen von dem, was er an seinem feisten Leib trug, seinen gesamten restlichen Besitz in Swemmanger hatte zurücklassen müssen. Darüber, dass er Blasen an den Füßen bekam. Dass es ihm tagsüber zu heiß und nachts zu kalt war. Über das angeblich viel zu laute Rauschen des Silvrets, dessen Lauf sie stromabwärts folgten. Über die letzten Mückenschwärme des dahinscheidenden Sommers, die in der Dämmerung aus den Auen aufstiegen, gierig nach süßem Zweibeinerblut. Und immer wieder darüber, dass ihm die Kehle ganz trocken war und das Wasser allein niemals ausreichen würde, um seinen Durst zu stillen.
    Namakan fragte sich ernsthaft, ob das Gejammer des Zwergs leichter zu ertragen gewesen wäre, wenn Eisarn es in der Zunge seines Volkes vorgetragen hätte. Leider hatte Eisarn so lange unter großen Menschen gelebt, dass ihm deren Sprache in Fleisch und Blut übergegangen war. Nur ab und an schlichen sich manche Ausdrücke in sein Klagen ein, die offensichtlich aus jener Zeit stammten, in der er noch kein Verstoßener gewesen war. Bei einigen glaubte Namakan nach einer Weile sogar, den Sinn dahinter zu begreifen. Wenn Eisarn etwas von »Smarna« brabbelte, fluchte er in der gleichen Weise, wie wenn Dalarr ein »Dridd« entfuhr. »Leithu« bezeichnete wohl irgendeine Form von berauschendem Getränk. Und in den Momenten, in denen er Dalarr als einen »Ausahadandis« beschimpfte, weil der nach einer Rast zum Aufbruch drängte, unterstrich der Zwerg sein Ungemach, indem er das dumpfe Muhen von Ochsen und das scharfe Knallen von Peitschen nachahmte.
    Nur während der Rasten selbst verfiel Eisarn ab und an in dumpfes Brüten – immer dann, wenn er den Herzfinder, den Dalarr ihm zurückgegeben hatte, vom Gürtel nahm und sanft über die Zinken der zaubermächtigen kleinen Forke streichelte. Namakan war sicher, der Zwerg hätte es lieber gesehen, wenn der Herzfinder nicht Dalarr zu ihm geführt hätte. Schließlich war er nicht derjenige, dem er den Herzfinder einst geschenkt hatte. Bestimmt hatte der Zwerg darauf gehofft, Galt eines Tages wiederzusehen – Galt, der ihm doch laut Dalarr mehr bedeutet hatte, als so manche Frau ihrem Gatten bedeutete. Und nun war diese sieche Hoffnung genauso tot wie Galt.
    Am zweiten Tag hatte die Sonne den Schatten der Wanderer die Beine schon zu dünnen Stelzen langgezogen, als ein Stück die Straße hinunter Bratenduft von einem Gasthaus zu ihnen herüberwehte. Die klugen Erbauer des hölzernen Gebäudes hatten der Unberechenbarkeit des Silvrets Rechnung getragen und eine von dicken Pfählen getragene Plattform errichtet, die man über eine wacklig aussehende Treppe erreichte.
    Eisarn, dessen Füße ihm nach eigener Aussage eben noch schwer wie Mühlsteine gewesen waren, wuselte vom Schwanz der Gruppe, den er höchstselbst bildete, nach vorne an Dalarrs Seite. »Nur ein Humpen. Ein einziger Humpen nur«, quengelte er, die Hände vor der Tonnenbrust flehentlich gefaltet.
    Namakan, dem beim Bratenduft das Wasser im Mund zusammengelaufen war, hoffte auf einmal, dass sich sein Meister vom Greinen

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