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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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nicht zu sehr nach Ruhe, mein Freund. Vergiss nicht, du ziehst in die Schlacht …
    Die Bastion des Weißen Windes war das einzige steinerne Gebäude in einem Umkreis von mehreren Hundert Schritten. Eine Seite des Kuppelbaus aus weißem Marmor grenzte unmittelbar an das Hafenbecken. Davor erstreckte sich ein riesiger, staubiger Platz, bei dem Namakan an eine Einöde denken musste, der alles Leben geraubt worden war. Als er die Bastion näher betrachtete, dämmerte ihm, wie sich dieser triste Gedanke erklärte: Das Bollwerk des Skra Gul sah aus wie ein von der Sonne gebleichter Totenschädel. Die beiden Bogenfenster aus schwarzem Glas in der Kuppel waren die leeren Augenhöhlen, und die Spitzen eines Fallgitters, die von oben in die düstere Toröffnung hineinragten, waren die Zähne. Zu jeder Seite des Tors stand ein Trupp von sechs Schergen in schneeweißen Waffenröcken, bewaffnet mit Speeren und Schwertern. Namakan fletschte die Zähne. Ob einer der Hunde dabei war, der seine Familie dahingeschlachtet hatte?
    »Da wären wir«, stellte Eisarn grimmig fest. »Ich vermute, du hast einen Plan, Dalarr. Einen anderen als: ›Auf sie mit Gebrüll!‹«
    Dalarr nickte. »Ammorna wird mir einen Gefallen tun müssen.«
    »Ich?« Die Kroka-Dienerin riss überrascht die Augen auf.
    »Du wirst dort zu diesen Schweinen gehen und ihnen sagen, dass du eine wichtige Botschaft für ihren Anführer hast.« Dalarr holte den Griffel und das Pergament aus seinem Rucksack. »Du bist eine Dienerin der Gefiederten. Die Skra Gul sind abergläubisch. Sie werden dich vorlassen, und Waldur wird dich empfangen.«
    »Baust du darauf, dass er sich an mich erinnern wird?« Ammorna war leichenblass.
    »Nein. Ich baue darauf, dass er sich daran erinnert.« In ruhigen Strichen malte Dalarr ein Zeichen auf das Pergament. Namakan erkannte darin schnell das gleiche Symbol, das in Dalarrs Rücken als Hautschrift eingeschrieben war. Darunter setzte Dalarr eine kurze Reihe weiterer Linien und Formen, die für Namakan rätselhaft blieben.
    »Was schreibst du?«, fragte Tschumilal.
    »Ich schreibe Waldur, dass ich in der Stadt bin«, sagte Dalarr. »Dass wir zwei etwas zu klären haben. Auf unsere Weise.«
    Das bange Warten war eine schlimme Folter. Dalarr hatte sich nicht geirrt: Die Wachen der Skra Gul hatten keinerlei Anstalten gemacht, Ammorna aufzuhalten, nachdem sie ihr Anliegen vorgetragen hatte. Ammorna war erhobenen Hauptes durch das Tor geschritten, und selbst eine Königin hätte ihr Zepter nicht ehrfurchtgebietender vor sich her tragen können als die Weißhaarige ihren Stab.
    Danach hatte das Warten begonnen, und es dauerte schon länger, als man brauchte, um eine Pfeife zu rauchen.
    »Was ist, wenn er sie umbringt?«, fragte Kjell nun bereits zum sechsten oder siebten Mal.
    Und zum sechsten oder siebten Mal gab ihm Dalarr die gleiche Antwort: »Dann soll sie nicht umsonst gestorben sein.«
    Gerade als Kjell wieder den Mund öffnete, sahen sie Ammorna im Tor auftauchen. Die Wachen blickten ihr einen Moment nach, ehe sie die Köpfe zusammensteckten, um zu tuscheln.
    Kjell lief seiner Amme ein Stück entgegen. Er wollte sie umarmen, was sie mit einer barschen Bewegung ihres Stabs verhinderte. Ammorna trat vor Dalarr, die Spuren einer Kränkung ins Gesicht gegraben.
    »Er hat mich wiedererkannt«, sagte sie vorwurfsvoll. »Er hat mich gefragt, ob ich zu ihm gekommen bin, um für eine Aufhebung von Kjells Fluch zu betteln, oder weil ich ihm ein paar Omen deuten will.«
    »Hast du ihm mein Schreiben gezeigt?«
    Sie nickte. »Er hat gesagt, dass er deine Einladung annimmt und dass er sich auf dich freut. Er wird bald zu uns kommen.«
    Dalarr lächelte eisig. »Gut.« Als er weitersprach, wandte er sich an all seine Begleiter. »Waldur wird sich an die Regeln der Skorugir Laga halten, der Ehrenvollen Zusammenkunft. Und es ist wichtig, dass auch ich mich an diese Regeln halte. Wenn Waldur vor dieses Tor dort drüben tritt, ist es eine Sache nur zwischen uns beiden. Ganz gleich, was auch geschieht, ihr mischt euch nicht ein. Ganz gleich, wie lange wir reden. Ganz gleich, wie lange wir streiten.«
    »Was?« Morritbi schüttelte wild den Kopf. »Das geht nicht. Was ist mit meiner Rache?«
    »Meister …«
    »Still, Namakan«, sagte Dalarr streng. »Meine Rache wird unsere Rache sein.« Er sah Morritbi in die Augen. »Sei nicht dumm. Was meinst du, wie groß der Weiße Wind ist?«
    »Es sind mehr als fünfzig Mann«, warf Ammorna knapp ein.
    »Meinst

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