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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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blitzte rot an einem der Finger seiner Linken, die bislang hinter dem Helm verborgen geblieben war. Kaum dass er den rubinbesetzten Reif sah, hörte Namakan neben sich Morritbi scharf Atem holen .
    Waldur vollführte eine flirrende Geste, als schriebe er flüchtig eines der Symbole seines Volkes auf die dahinziehenden Wolkenfetzen. Die Wirkung setzte umgehend ein, und Namakan erschauerte angesichts der Macht der Tegin: Die Wolken strebten aufeinander zu wie die Schafe einer Herde, die den Wolf nahen spürten.
    »Du willst Tränen?«, höhnte Dalarr bitter und begann, die Kräfte der Natur mit seinem eigenen Zeichen unter seinen Willen zu zwingen. »Tränen sind für Feiglinge. Du sollst in einen Spiegel meines Zorns blicken, wenn du sterbend am Boden liegst.«
    Blitze zuckten in den geballten Wolken, die sich höher und höher auftürmten. Düster grollte der Donner, doch kein Tropfen Regen fiel. Die Luft schmeckte mit einem Mal nach Stahl.
    Die erste Regung, die womöglich mehr als Maske und Schauspiel war, zeigte sich auf Waldurs Gesicht. Seine Mundwinkel sanken an seinem Kinn herab, und an seiner Nasenwurzel legte sich die Haut in zwei tiefe Falten. »Tut das wirklich not? Du bist mein Bruder«, sagte er wehmütig, während nun auch seine Hände zu den Waffen wanderten. »Ich liebe dich.«
    »Sprich nicht von Liebe.« Dalarr bleckte knurrend die Zähne. »Du weißt nicht einmal, was das ist.«
    Sirrend fuhren vier Klingen aus ihren Scheiden.
    Der Kampf der beiden Tegin war schnell und brutal. Der Dunkle Sturm und der Weiße Wind machten ihren Namen alle Ehre. Sie umkreisten einander in einem tödlichen Reigen, die Schritte vollkommen sicher und in mörderischem Tempo gesetzt. Die meisten Schläge und Hiebe, mit denen sie sich beharkten, erfolgten fast zu schnell, als dass ihnen ein sterbliches Auge noch zu folgen vermochte. Bebenden Herzens lenkte Namakan seine Aufmerksamkeit auf die Körper der Streiter, deren Bewegungen einen winzigen Deut langsamer schienen. Mal schnellte Dalarrs Oberkörper zurück, als würde er einer zuschnappenden Schlange ausweichen, mal sprang Waldur über einen wie mit einer Sense geführten Streich hinweg, der ihn sonst die Beine gekostet hätte. Eben noch tauchte Dalarr zur Seite weg – tief genug, dass Swiputir in seiner Linken über den Boden scharrte und Staub aufwirbelte –, schon riss Waldur seine beiden Klingen wie ein Kreuz vor sein Gesicht, um nicht ein Auge einzubüßen.
    Namakan hatte seinen Meister auf der Brücke über die Narbe und gegen die Klauenschatten im Schwarzen Hain kämpfen sehen, doch ihm dämmerte, dass er dort noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen war. Damals war sein Leib noch alt, doch jetzt ist er wieder jung.
    Ammorna murmelte Stoßgebete an die Gefiederte. Kjell verfolgte das Geschehen mit offenem Mund, während Tschumilals Züge seltsam ausdruckslos blieben. Nur ihre Finger strichen immer wieder über die Sehne ihres Bogens wie über die Saite einer Harfe. Eisarns geballte Fäuste zuckten auf und nieder, eine plumpe Nachahmung des geschmeidigen Spektakels. Morritbi blieb stumm, doch ihre Hand, nach der Namakan zu Beginn des Zweikampfs gegriffen hatte, wurde heiß und heißer, sodass er sie schließlich loslassen musste, um sich nicht an ihr zu verbrennen.
    Die Skra Gul auf der anderen Seite feuerten ihren Gebieter lautstark an. Ihre Rufe wurden lauter, da ihre Zahl sich ständig erhöhte: Aus dem Tor der Bastion eilten sie heran, blutrünstig johlend und schreiend.
    Auch die Passanten an den Rändern des Platzes blieben stehen, manche vor Aufregung wild mit den Armen wedelnd oder Beifall klatschend, andere stocksteif. Ungeachtet des Donnerns und Blitzens am Himmel drängte vom Hafen her weiteres Publikum heran, Stadtwachen und Stauer, Bettler und Fischer. Niemand in Silvretsodra würde diesen Tag je vergessen, so viel stand jetzt schon fest.
    Ein überraschter Schmerzenslaut war zu hören. Die Kämpfer wichen kurz voreinander zurück, Dalarr geduckt und grinsend, Waldur aufrecht und entsetzt. Der Krieger in Weiß schüttelte die Hand aus, in der er seinen Parierdolch hielt. Von seinem Handgelenk flogen zwei, drei Tropfen Blut und besudelten die Schienen an seinem Oberschenkel. »Du meinst es wirklich ernst«, sagte er in furchtbar ehrlicher Bestürzung.
    Krachend schlug ein Blitz eine schwarze Pockennarbe aus geborstenem Marmor in die Kuppel der Bastion.
    Dann musste Waldur sich auch schon gegen Dalarrs nächsten Hieb wehren, und das Klirren

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