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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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dein Interesse an Arvids Aufstieg wäre nichts weiter als Zeitvertreib. Ein Mittel gegen die Langeweile, die unseresgleichen gern befällt. Das war eine Lüge. Und als ich an dieser Lüge nicht mehr teilhaben wollte, hast du der Frau, die ich liebe, erst ein Auge und dann ihr Leben gestohlen.«
    Namakan konnte nur erahnen, wie nah diese beiden Ereignisse – die Schlacht bei Kluvitfrost und das Massaker auf den Almen – für Dalarrs Zeitempfinden beieinander lagen. Für kurzlebigere Geschöpfe wie die großen Menschen trennte sie hingegen eine ganze Generation.
    »Ich bin also der Verräter hier?« Waldurs Lächeln gefror. »Ich bin der, der den Schwanz eingekniffen hat, als es hart auf hart kam? Ich bin der, der Kinder raubt und mächtige Ketten stehlen lässt? Ich bin der, der sich am Ende der Welt verkrochen hat, anstatt Verantwortung für seine Taten und Untaten zu übernehmen?«
    Spricht er von mir? Namakans Hände begannen zu zittern, und er spielte beinahe unbewusst mit dem in seinem Fleisch verwachsenen Ring, um sie zur Ruhe zu bringen. Er muss mich meinen. Aber Dalarr hat mich nicht geraubt. Meine Mutter hat mich Lodaja mitgegeben, um mein Leben zu retten. Sind denn alle vom Alten Geschlecht solche Lügner?
    »Wir könnten uns noch ewig darüber streiten, wer wen verraten hat und wer als Erster nicht aufrichtig zum anderen war«, wiegelte Dalarr den Vorwurf ab. »Doch hier geht es nicht nur um uns beide. Da ist noch mehr. Viel mehr. Du hast auch unsere Wege verraten. Das, was allen Tegin heilig zu sein hat. Winde dich ruhig wie eine Schlange in einer gepanzerten Faust, aber das ändert nichts an der Wahrheit. Du wolltest einen Weg finden, unsere Gesetze auszuhebeln, ohne sie zu brechen. Du wolltest der König hinter dem König sein. Dafür hast du dir Arvid ausgesucht, und nicht, um den Menschen einen guten Herrscher zu geben, wie du mich glauben gemacht hast.«
    »Ach, Dalarr.« Waldur seufzte. »Komm mir nicht mit Gesetzen, die wir brechen. Hast du nicht gegen das Logmal Rata verstoßen, als du so verzweifelt versucht hast, sesshaft zu werden und Wurzeln zu schlagen?«
    »Selbst unser Weg muss irgendwann enden«, wandte Dalarr ein.
    »Muss er das?« Waldur deutete mit dem Daumen über seine Schulter auf die Bastion. »Sieh, was ich hier habe. Ein Heim, zu dem ich zurückkehren kann. Und trotzdem muss ich meine Wanderschaft nie aufgeben. In einem Reich wie Tristborn gibt es immer einen Aufstand niederzuschlagen, einen vorlauten Edelmann, dem man auf die Finger klopfen kann, und eine Grenze, die gegen Eindringlinge gehalten werden muss. Ich muss mir wenigstens nicht vorwerfen, alt und grau geworden zu sein, während ich auf den Almen eine fremde Brut genährt habe. Ich habe dem König gedient, den wir geschaffen haben.«
    »Vertausch nicht die Rollen zwischen Herr und Sklave«, grollte Dalarr.
    »Was hat es den Falura Morna von Tristborn denn geschadet, dass wir den Gräfling zum König gemacht haben?« Waldurs Tonfall wurde eindringlicher, wie der eines Lehrers gegenüber einem uneinsichtigen Schüler. »Er hat ihnen Wohlstand gebracht. Und Ruhe. Und Ordnung. Sie verehren ihn. Wenn du schon unbedingt den Helden in dieser Geschichte spielen möchtest, solltest du mir lieber helfen, dieses Reich vor den Barbaren zu beschützen, die es bedrohen. Weißt du, wie viele Falura Morna sterben werden, falls Kluvitfrost fällt? Vergiss nicht, es würde ein Weilchen dauern, bis sich aus den Ruinen ein neues Reich erhebt, das es wert ist, von uns behütet zu werden.«
    Die Zornesröte, die Dalarr von Beginn des Wortgefechts an ins Gesicht gestiegen war, wurde noch dunkler. »Die Welken Blüten sind nicht unser Spielzeug, nicht unsere Haustiere. Sie haben ihr eigenes Schicksal.«
    »Dein Groll ist unberechtigt«, erwiderte Waldur. »Es schmerzt mich, dich so gegen mich aufgebracht zu sehen. Ich habe dir einen Gefallen getan. Ich habe dich aus dem geilen Fiebertraum eines eigensüchtigen Jungen geweckt. Hast du nicht bei einem dieser Tiere gelegen, deren Lebensspannen sich in Fürzen messen lassen? Hast du es nicht gestoßen und gestoßen, weil du hofftest, dein Same könnte in ihm aufgehen?«
    Dalarrs Hände zuckten zu den Griffen seiner Schwerter. »Ich hoffe für dich, deine Klinge ist ebenso scharf wie deine Zunge, du Hund!«
    Waldur schaute kurz zum Himmel. »Die Wolken sollten weinen, wenn wir im Streit liegen, findest du nicht?« Dann setzte er seinen Widderhelm auf und reckte die Hand dem Firmament entgegen.
    Es

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