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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Interesse.
    Waldur richtete sein Langschwert auf Dalarrs Kehle. »Es tut mir leid, dass du keine Einsicht zeigst.« Das Grausamste an seinen Worten war, dass in ihnen echtes Bedauern mitschwang. »Dass du nicht erkennen willst, was ich uns aufgebaut habe.« Er zuckte mit den Schultern. »Du lässt mir keine andere Wahl.«
    Dalarr, der auf den Knien hin und her schwankte, sprudelte Blut über die Lippen. »Worauf wartest du? Bring es zu Ende.«
    »Nein!«
    Namakan stürmte nach vorn. Er spürte Hände an seinem Umhang zerren, aber er riss sich los.
    »Namakan, nicht!«, rief ihm Morritbi hinterher.
    Ich muss, meine Hexe. Ich muss. Er rannte weiter, die Blicke aus Hunderten Augenpaaren auf sich, doch es gab nur eines, das zählte. Die blauen, kalten Augen des Mannes, der das Leben seines Meisters in der Hand hielt.
    »Geh weg.« Dalarr winkte schwach, und seine Züge, die eben noch selbst angesichts der Stillen Leere gefasst gewesen waren, nahmen einen Ausdruck höchster Verzweiflung an. »Verschwinde, Junge!« Er musste sich mit beiden Händen abstützen, um nicht ganz zusammenzubrechen. »Verschwinde!«
    Namakan verweigerte den Gehorsam. Er bremste zwar seine Schritte, doch nur, um sich noch einmal selbst zu vergewissern, ob er seinen Plan wirklich in die Tat umsetzen wollte. Ja!
    Waldur legte den Kopf schief. »Sieh an, sieh an! Wen haben wir denn da?«
    »Verschone ihn.« Es klang flehender, als Namakan es beabsichtigt hatte, aber es war immerhin noch kein tränenreiches, händeringendes Betteln. »Verschone ihn. Du hast ihn besiegt. Reicht dir das nicht?«
    Waldur, auf dessen Stirn der Schweiß glänzte, dachte einen Moment über diese Frage nach. »Du forderst etwas von mir«, sagte er dann mit ruhiger Belustigung. »Etwas Kostbares. Einen großen Verzicht. Es ist nicht leicht, den Becher des Triumphs zu schmähen, wenn er bis zum Rand gefüllt ist. Hast du denn etwas von gleichem Wert, das du dagegen eintauschen könntest?«
    »O ja.« Namakan schlüpfte aus den Schlaufen seines Rucksacks. »Es wird dir gefallen.« So ist es richtig, wisperte es in Namakan. Genau richtig. Selbst den listigsten Fuchs kann man überlisten, wenn man nur das richtige Fleisch vergiftet. Greif ruhig hinein. Hol sie raus. Sie wollen raus. Sie sind hungrig, weißt du noch? Und was glaubst du, wie sie sich über diesen Leckerbissen freuen würden? Einen Tegin. Einen Schuft vom Alten Geschlecht. Und schau, da sind noch so viele mehr. Da drüben stehen sie. Sie waren es. Sie haben dich auf diese Reise geschickt. Die Skra Gul. Sie haben Wutschak den Schädel gespalten. Sie haben Jasch den Bauch aufgeschnitten. Sie haben Selesa durchbohrt und Tschesch verbrannt. Ist es da nicht gerecht, wenn sie ihre Strafe erhalten? Warte nur noch einen Augenblick. Dann ist Dalarr tot, und du kannst ihn wieder auferwecken. Er wird keinen Schmerz mehr spüren, keine Verzweiflung, keine Angst. Er wird die Waffe sein, und du der Henker. Meinst du, er schafft es nicht allein? Na, was glaubst du, wie viele Tote am Grund des Hafenbeckens ruhen? Im Fluss? Unter diesem Platz? Was meinst du, wie viele Rattenfresser unter deinen Füßen verhungert sind, die nur darauf warten, es all jenen heimzuzahlen, die sie haben verhungern lassen? Was meinst du, was …
    »Ich rede mit dir.«
    Namakan nahm den Kopf hoch. Ein kleiner Stich an seinem Kinn brannte, und an der Spitze von Waldurs Langschwert glänzte ein bisschen Blut. »Nimm sie!«, sagte Namakan rasch. Er klappte den Deckel seines Rucksacks hoch, damit Waldur hineinschauen konnte. »Sie gehören dir.«
    Waldur holte tief Luft, und ein Zittern lief durch seinen Körper. »Ah. Da sind sie.«
    »Nein, Junge, nicht das … er darf nicht …« In der Zeit, in der Namakan dem Ruf der Kette verfallen gewesen war, waren Dalarrs letzte Kräfte geschwunden. Er lag nun auf der Seite, und unter ihm fraß der Staub sein Blut nicht schnell genug, um das Ausbreiten einer großen, roten Lache zu verhindern.
    »Sch, sch, sch.« Waldur wischte seine Klingen grob an seinem Umhang sauber, steckte sie flink weg, ging in die Hocke und zog den Rucksack zu sich heran. »Dass du nur immer so schrecklich stur sein musst, Dalarr. Es ist doch alles nur zu deinem Besten.« Mit deutlichem Widerwillen klappte Waldur den Deckel des Rucksacks wieder herunter. »Ja, das ist genug. Mehr als genug.« Er erhob sich und schlang sich den Rucksack über die rechte Schulter. »Siehst du wohl, wie sehr ich ihn liebe?«, fragte er Namakan. »Ich könnte

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