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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Ruhe!«, keifte Morritbi.
    Waldur sah ihrem Ansturm ruhig entgegen. Als sie in Reichweite war, hieb er ihr beinahe gelangweilt den Knauf seines Parierdolchs gegen die Schläfe. Er lachte, als sie zusammensackte.
    Namakans Herz setzte einen Schlag aus. Wir haben verloren! Er ließ den Dolch sinken, seine Wut angesichts Morritbis reglosem Körper so rasch erloschen wie ein Strohfeuer. Er hat uns wieder besiegt.
    Waldur stieß Morritbi mit dem Fuß an, das Gesicht von Ekel zu einer widerwärtigen Grimasse verzogen. »Und wer ist das?«, fragte er Dalarr. »Ist das deine neue Hure? Soll ich ihr auch einen Drachen in den Leib schnitzen? So wie der alten?«
    »Warum, Waldur?« In Dalarrs Stimme war nur noch die matte Enttäuschung des gedemütigten Verlierers. »Warum nur hast du sie so sehr gehasst? Lodaja hat dir nie etwas getan. Du warst ihr Freund …«
    »Lodaja?«, ächzte Arvid in Namakans Rücken. Der alte König schwankte ein paar taumelnde Schritte auf Waldur zu. »Lodaja?« Seine morschen Knochen knackten laut, als er die Hände zu Fäusten ballte. »Nein! Nein. Du hast gesagt, sie sei lange tot. Was redet er da?«
    »Lass dich nicht von ihm blenden«, rügte Waldur seine Marionette. »Sie war nicht mehr deine Tochter. Weißt du denn nicht, was sie war, nachdem sie ihren Schoß erst einmal für ihn geöffnet hatte? Sie war seine Hure, mehr nicht.«
    Doch. Sie war meine Mutter. Namakan sank auf die Knie. Sie war meine Mutter, du Hund!
    »Nein, nein …«, klagte Arvid und wies mit einem gekrümmten Finger auf den gnadenlosen Krieger in Weiß. »Mein Kind. Sie war mein Kind. Und du hast es getötet.«
    Waldur nickte mit dem Kinn zu Namakan. »Und ich habe dir dafür dein anderes gebracht, oder nicht?«
    Arvids Kopf zuckte herum. Er lächelte ein entrücktes Lächeln. »Das ist wahr …«
    »Und ich habe dir doch auch die Ketten gebracht, mit denen die Barbaren für immer in den Staub getreten werden«, fuhr Waldur fort. »Wenn sie ausgemerzt sind, wird niemand mehr auf der ganzen Welt die Macht unseres Reichs anzweifeln.«
    »Ja, ja …«, kam es von Arvid.
    »Siehst du wohl.« Waldur trat Dalarr ins Gesicht, mit dem Absatz voran. Dalarrs Kopf schlug hart gegen die Steinplatte unter ihm. Er röchelte, dann war er still. »Wir beide haben später noch Zeit, uns auszusöhnen, wenn du dich ein wenig beruhigt hast«, erklärte Waldur großmütig, auch wenn Namakan daran zweifelte, dass die Worte Dalarr erreichten. Waldur wandte sich wieder Arvid zu. »Und du, du schaffst dich besser an die Ketten, du Narr! Wir haben eine Schlacht zu entscheiden.«
    »Nein.« Arvid schüttelte den Kopf, und die Tränen, die ihm nun die Wangen herunterrannen, hatten nicht mehr das Geringste mit Freude zu tun. »Bitte zwing mich nicht! Nicht noch einmal …«
    »Was stellst du dich auf einmal so an?«, zischte Waldur ungehalten.
    »Wir brauchen die Ketten nicht.« Arvid schüttelte panisch den Kopf. »Ganz sicher nicht. Unser Heer ist groß genug. Die Barbaren können nicht gewinnen. Zwing mich nicht, die Toten zu wecken. Bitte. Du weißt nicht, was es mit einem macht.«
    Waldur steckte seine Waffen weg und schritt auf Arvid zu, wie Dalarr immer auf Namakan zugeschritten war, wenn er ihm wegen eines Fehlers an Amboss oder Esse ein paar Schläge verpasst hatte.
    Er ist es. Er ist der, der alle Fäden in der Hand gehalten hat. Von Anfang an. Niemand sonst. Arvid ist nur sein Werkzeug. Die Maske, hinter der er sich versteckt. Ein verrückter alter Mann. Ein Greis, der nicht mehr weiß, wer vor ihm steht. Der denkt, ich wäre jemand anders. Der meint, ich wäre sein Kind. Das Kind seiner Königin, die er verloren hat, als er vor dreißig Sommern schon einmal auf diesem Turm war.
    Waldur änderte seinen Weg, um vor Namakan stehenzubleiben. Er streckte fordernd die Hand aus, aber seine Züge waren widerlich freundlich dabei. »Gib mir das Piekserchen, bevor du dir noch damit wehtust.« Er deutete eine Verbeugung an. »Mein Prinz.«
    Namakan gab ihm seinen Dolch. Aber er tat es nur, weil er durch Waldurs Beine hindurch etwas sah, das ihm neue Hoffnung brachte. Etwas Unglaubliches.
    Morritbi hatte sich halb aufgerichtet und schaute zu ihm herüber. Sie hielt sich einen Finger an die Lippen, und in ihren Augen loderten gleißende Flammen. Kein Bild von Zorn oder Groll. Echte, flackernde Flammen!
    Waldur packte Arvid am Arm, zog ihn zu sich heran und schnitt ihm flink die Handfläche auf, eine grausame Prozedur, die er an Arvids zweiter Hand

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