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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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nicht wüssten, wie man eine riesige Armbrust bedient, die brennende Bolzen verschießt.«
    »Was jetzt?«, fragte Morritbi.
    »Ich schätze, wir müssen dort hinauf.« Eisarn zeigte mit dem Kopf seines Kriegshammers auf den Zwillingsbruder des Wehrturms auf ihrer Seite des Passes. »Dort war Arvid zumindest beim letzten Mal.«
    »Und er wird auch diesmal dort sein«, zischte Dalarr. »Aber heute wird er dort oben sterben.«
    Der Tegin rannte los, die anderen Wanderer hinter ihm her. Immer drohender ragte der Turm über ihnen auf, je näher sie ihm kamen.
    Sie hetzten durch einen engen Durchlass in das dunkle Innere des Trutzbaus. Eine steile Treppe winkelte sich an der Wand in die Höhe. Hinter einem zweiten Durchlass auf der gegenüberliegenden Seitenwand, durch den das blasse Sonnenlicht hereinkroch, setzte sich leicht abschüssig der Wehrgang fort.
    Vielleicht dreißig Schritte vor ihnen setzte sich eine Handvoll Tristborner tapfer gegen eine Übermacht von Barbaren zur Wehr. Der Gang war schmal, und die Soldaten Arvids stachen mit langen Stangenwaffen auf die wilden Krieger ein, was die Verteidigung etwas erleichterte, doch nur ein Narr hätte daran gezweifelt, dass die Reichskrieger auf verlorenem Posten kämpften. So wie irgendwann der Korken von einer Flasche flog, wenn man das Wasser darin erhitzte, so würden die Tristborner dem Druck der Barbaren irgendwann nicht mehr standhalten.
    Nicht irgendwann … bald … doch was wird es den Pferdestämmen nützen? Ob sie noch genauso todesmutig kämpfen würden, wenn sie wüssten, wie groß das Feldlager hinter dem nächsten Tor ist? Wie viele weitere Männer und Frauen dort nur darauf warten, sie in die Flucht zu schlagen? Und sie werden sie in die Flucht schlagen. Diese Schlacht ist schon längst entschieden. Arvids Armee ist dieses Mal viel größer als beim letzten Mal. Zu groß, als dass die Barbaren sie je besiegen könnten.
    Dalarr sprang bereits die Stufen hinauf, aber Eisarn baute sich im Durchlass auf. »Ihr braucht einen freien Rücken.« Er wirbelte den Hammer über seinen Kopf. »Und mein Freund hier braucht Schädel, die er zerschmettern kann.«
    »Einer allein kann dieses Tor nicht halten, auch wenn er es der Breite nach fast ausfüllt.« Kjell stellte sich neben Eisarn und packte sein Schwert mit beiden Händen. »Noch dazu, wenn dieser eine den Teufeln dort vorn nur bis zum Nabel reicht. Lass die Schädel mir. Kümmer du dich um die Knie.«
    Eisarn lachte grimmig. »Das wird ein Fest, das sag ich dir!«
    »Was ist mit unserer Rache?«, fragte Tschumilal verwundert, doch sie hatte bereits hinter dem Grafen ohne Land und dem verstoßenen Zwerg Stellung bezogen. Ein Pfeil lag auf der Sehne, und ihre Augen suchten schon nach einem lohnenswerten Ziel. »Was ist mit dem, der dich verflucht und meine Eltern auf dem Gewissen hat?«
    Kjell warf einen raschen Blick zu Namakan. »Lasst nicht zu, dass dieses Ungeheuer noch einmal gewinnt, ja?«
    Namakan nickte entschlossen. Mehr Abschied gab es nicht.
    »Komm«, sagte Morritbi und zog Namakan die ersten Stufen hinauf.
    Das ist es also.
    Namakan erklomm eine Stufe.
    Das Ende. Ich, Morritbi und der Meister.
    Die nächste.
    Lodaja.
    Und die nächste.
    Tschesch.
    Und die nächste.
    Miska.
    Und die nächste.
    Wutschak.
    Und die nächste.
    Alle. Alle.
    Und die nächste.
    Bald sind alle gerächt.
    Und die nächste.
    Oder wir sind alle bei ihnen.
    Und die nächste.
    Aber dann haben wir es wenigstens versucht.
    Und die nächste.
    Es war richtig.
    Und die nächste.
    Blut fordert Blut.
    Und die letzte.
    Oder?
    Auf der Plattform an der Spitze des Turms war ein Gerüst aus dem dunklen Tannenholz des Schwarzen Hains aufgebaut. Von einem seiner Balken baumelte die Leiche eines jungen Mannes in der Uniform eines Trommlers. Waldur trieb den letzten Haken der Kette in das weiche Fleisch zwischen Hals und Schulter des Toten. Dann wandte er sich um. »Mein Bruder.«
    Dalarr antwortete ihm nicht. Er stand einfach da, aufrecht, Swiputir und Blotuwakar gezogen. Seine Kiefer mahlten, und Namakan wusste nicht, ob die Augen des Tegin wirklich in das Hier und Jetzt blickten oder in eine Vergangenheit, seit der dreißig Sommer verstrichen waren.
    Waldur lächelte, als er Namakan sah. »Habe ich dir nicht gesagt, dass er kommt? Habe ich dich je belogen? Ich mache all deine Träume wahr.«
    Der Krieger in Weiß sprach weder zu Namakan noch zu Dalarr. Seine Worte galten einem alten Mann, der in einer ungläubigen Geste die Hände halb

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