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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Blöße.«
    Ihre Wortwahl, die ihn an ihre flinken Hände in seinem Schritt erinnerten, beschäftigte Namakan noch, als er sich längst das Hemd übergestreift hatte und auf die versprochene Hose wartete. Sie war aus einem groben, grünen Stoff, den er nicht kannte, und letztlich ein ordentliches Stück zu lang. Er musste die Hosenbeine viermal umschlagen, um seine Füße ganz freizulegen. Dafür spannte sie oben am Bund, weil sein Bauch kaum hineinpasste.
    »Nicht schlecht«, sagte Morritbi trotzdem zufrieden. »Steht dir ausgezeichnet. Aber dir steht ja so manches ausgezeichnet. Auch wenn du noch zu lernen hast, wie man damit einem anderen Menschen höchste Lust verschaffen kann, anstatt gleich sein Harz zu verströmen.«
    Namakan wurde rot, Dalarr lachte dreckig, und Ammorna warf flehend die Hände in die Höhe. »Kroka hab Erbarmen und errette mich aus dieser Lasterhöhle!«
    Eine kleine Weile nach diesem peinlichen Zwischenfall war auch Dalarr neu eingekleidet. Hemd und Hose waren ebenso schwarz wie seine Rüstung, die er inzwischen wieder angelegt hatte. Die Wirkung, die davon ausging, war kaum zu übersehen: Zum einen hatte Namakans Meister mit einem Mal etwas von einem fleischgewordenen Schatten, fast so, als wäre er der Zuchtmeister der klauenbewehrten Bestien, die in diesem Hain auf Beutefang gingen. Zum anderen schien ihn diese neue Kluft um viele Sommer zu verjüngen.
    Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich mir nur einbilde, dass sein Haar und sein Bart dunkler geworden sind, seit wir von den Almen aufbrachen, bemerkte Namakan, als er seinen Ziehvater im Licht des Feuers betrachtete. Die Härchen in seinem Nacken und an seinen Armen richteten sich auf, als ihm gewahr wurde, dass er nicht der Einzige in diesem Haus war, der Dalarr verblüfft taxierte.
    Die in ihre mittlerweile geflickte Robe gehüllte Ammorna ließ Dalarr nicht aus den Augen. Was hat sie? Warum starrt sie ihn so an wie ein Schaf, wenn es donnert?
    Namakans Blick pendelte zwischen seinem Meister und der Weißhaarigen, um schließlich an der Erscheinung hängenzubleiben, die ihm unheimlicher war: Ammorna. Ich schätze, es liegt an diesem verkniffenen Zug um ihre Lippen. An ihren Falten. Ihre Haut ist wie ein Stück ausgebleichtes Leder. Und an ihrer Nase. Wie der Schnabel eines Geiers, nur nicht gar so krumm.
    »O nein!« Morritbis trauriger Ausruf ließ Namakan zusammenzucken.
    »Was ist?«, fragte er.
    Die Hexe hielt einen schlaffen, schwarzen Schlauch in den Händen, der ihr zwischen den Fingern knisternd zerfiel. Die Schuppen der Schlangenhaut rieselten herab wie sonderbar düsterer Schnee. »Die Hitze meines Zaubers war zu groß.«
    Ehe Namakan etwas Aufmunterndes sagen konnte, meldete sich Ammorna aus ihrer Ecke. »Das ist ein Omen, mein Kind.« Ihre Stimme war weder spöttisch noch empört wie bisher sonst, sondern brüchig vor Ehrfurcht. »Kroka lehrt uns, unser Herz nicht an eitle Dinge zu ketten, denn das Eitle ist vergänglich. Alles ist stets im Wandel. Nur die Gefiederte weiß, welche Schnellen und Untiefen auf dem Strom der Zeit lauern.«
    Morritbi streute die Reste der Schlangenhaut ins Feuer. »So? Alles ist im Wandel, meinst du? Du täuschst dich. Das Alter hat deinen Blick für die Welt getrübt. Manche Dinge haben Bestand. Eine Schlange häutet sich und bleibt dennoch eine Schlange.«
    »Mag sein«, entgegnete Ammorna ruhig. »Doch wenn sie danach noch dieselbe wäre, was triebe sie dann an, ihr Schuppenkleid abzustreifen?«
    »Dridd«, murmelte Dalarr, der Blotuwakars Spitze vom Blut des Rappen reinigte. »Steck zwei fromme Weiber in einen Sack, und sie balgen sich wie die Katzen.«
    Dalarrs Prophezeiung bewahrheitete sich nicht. Ein jämmerliches Quieken aus dem Rattenkäfig bereitete dem sich anbahnenden Streit ein Ende. Das Tier trippelte aufgeregt im Kreis umher und schnupperte dabei nach allen Seiten.
    »Was hat sie?« Namakan ging vor dem Käfig in die Hocke. Die zitternde Schnauze der Ratte zuckte kurz in seine Richtung. »Hat sie Hunger?«
    »Sie ist ein er«, berichtigte ihn Ammorna, während sie an ihm vorbei zur Tür schritt. Sie öffnete sie einen Spalt, um einen Blick nach draußen zu werfen. »Der Morgen graut.« Sie drehte sich um, hob den Käfig vom Boden und stellte ihn auf der Bettstatt ab, wo Morritbi und Namakan beieinander gelegen hatten. »Es wird Zeit.«
    »Dass ihr Nebelkrähen immer in Rätseln sprechen müsst«, murrte Dalarr.
    »Du kennst dich doch mit Rätseln aus, oder nicht?«, erwiderte

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