Heldenwinter
riesenhaftes Insekt daran von einer noch riesenhafteren Fliegenklatsche zerschmettert worden, gab ihm den entscheidenden Hinweis. Sie muss sich im letzten Augenblick zur Seite geworfen haben, als dieses Ding auf sie zugeflogen kam. Es ist gegen den Wagen geklatscht und lag einen Augenblick hilflos da … einen Augenblick zu lang, wie es scheint.
Das Strahlen des Stabs hatte zwar ein wenig an Kraft verloren, doch das war ohne jede Frage ein guter Tausch gegen die Fetzen von Fell und Fleisch, die nun in seinen Krallen verfangen waren. Völlig ohne Gegenwehr hatte sich der Klauenschatten jedoch nicht in sein Schicksal ergeben: Die schwarze Robe der Frau war an der linken Seite vom Schenkel bis unter die Achsel aufgeschlitzt und gab den Blick auf die bleiche Haut darunter frei.
»Flikka mek!«, zischte Dalarr neben ihm.
Er folgte dem Blick des Meisters hinauf zu den Baumwipfeln.
Sie jagen in Rudeln!, fiel Namakan siedendheiß ein. Und zwei sind noch kein Rudel! Er zählte mindestens noch vier huschende Schemen dort oben, die aufgeregt keckerten, während sie nach einem geeigneten Ast suchten, von dem aus sie herabstoßen konnten.
»Weg da! Weg da!« Morritbi tauchte am Wegesrand auf, eine Hand schon in einem der Beutelchen an ihrem Gürtel. »Weg vom Wagen, du irres Weib!«
Sie ist doch noch gekommen. Obwohl das Feuer sie gewarnt hat. Hat sie das meinetwegen getan?
Die weißhaarige Frau bemerkte offenbar weder Morritbis jähes Erscheinen noch ihre Warnungen. Aus geistloser Panik oder zügelloser Kampfeslust hieb sie weiter auf ihren bereits bezwungenen Gegner ein.
Dalarr spie einen neuerlichen Fluch in seiner Heimatsprache aus und rannte los.
»Dann eben nicht! Selbst schuld!«, giftete Morritbi laut. Sie zog die Hand aus dem Beutelchen und schwang den Arm wie eine Bäuerin, die auf dem Feld in hohem Bogen eine Handvoll Saat ausbringt.
Die Luft flirrte einen Moment von dem Pulver, das viel, viel langsamer zu Boden sank, als es den üblichen Gesetzen der Welt entsprach.
Das rote Skaldat! Das muss der Beutel mit dem roten Skaldat gewesen sein!
Die Hexe holte tief Luft, spitzte die Lippen und blies kraftvoll in die rötlich schillernde Wolke hinein. Ihr Atem entfesselte die im Skaldat geborgene Macht: Eine wie aus dem Nichts heraus entstehende Kugel aus Feuer und Rauch, ob deren Hitze Namakan instinktiv die Arme vors Gesicht riss, raste auf den Wagen zu.
Dalarr sprang die weißhaarige Frau an und zerrte sie nieder. Sie lagen noch nicht im Matsch des Weges, da fuhr der flammende Ball schon über sie hinweg. Er zerplatzte an der Seitenwand des Gefährts und sandte zahllose feurige Arme über das Holz. Überall, wo sie es trafen, geriet der Wagen sofort in Brand. Der Stab war zwar erloschen, doch das Feuer spendete genug Licht, um die Dunkelheit im Zaum zu halten.
Die Weißhaarige dankte Dalarr ihre Rettung mit einem Tritt, der ihn von ihr herunterschleuderte. »Kjell!«, kreischte sie. »Kjell!« Sie kämpfte sich in die Höhe und tat etwas, was Namakan das Blut in den Adern gefrieren ließ: Sie kletterte auf den Bock des Wagens, über den schon gierig das Feuer leckte, und von dort auf die Ladefläche, wo sie sich suchend vornüberbeugte. »Kjell! Kjell!«
Auch Dalarr war rasch wieder auf den Beinen. Zuerst vermutete Namakan noch, sein Meister würde auf die Frau in der zerschlitzten Robe zulaufen, um sie daran zu hindern, sich in die Flammen zu stürzen. Dann begriff er, das Dalarr genau in die entgegengesetzte Richtung am brennenden Wagen entlang hetzte, auf das Gespann zu. Der überlebende Rappe geriet nun vollends in die Fänge seiner Furcht. Mit schäumendem Maul warf er sich erst einen Augenblick lang verzweifelt in sein Geschirr, doch wegen der gebrochenen Achse gelang es ihm nicht, den Wagen weiter als vielleicht einen halben Schritt durch den Matsch des Weges voranzuziehen. Also begann er in einer sinnlosen Geste gegen das Feuer blind nach hinten auszukeilen.
Dalarr rammte Swiputir in den Boden und zog sein Langschwert. Einen röhrenden Schrei auf den Lippen, holte er aus und durchtrennte mit einem einzigen Hieb die Kette am Gespann, die den Rappen an den Wagen fesselte. Danach wartete er einen Moment ab, in dem die Hinterläufe des Pferdes nicht in der Luft waren, und versetzte dem Tier einen Stich in die linke Hinterbacke. Erschrocken preschte der Rappe los. Als wollten sie ihn anfeuern, verfielen die Klauenschatten in den Wipfeln wieder in ihr schrilles Pfeifen.
Die Weißhaarige wuchtete ein
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