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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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sendet. Bisweilen gelingt es mir, doch allzu oft scheitere ich daran. Kroka gefällt es, das Licht der Erkenntnis, mit dem sie uns aus der Düsterkeit des Unwissens erlöst, nach ihrem Willen zu kräftigen. Mal erstrahlt es gleißend wie die Sonne selbst, mal ist es nur das schwache Flackern einer kleinen Flamme im Wind. Und das ist gut so. Würde sie es anders halten, wären wir törichten Menschen versucht, genau die Zukunft herbeizuführen, die uns am günstigsten für uns erscheint. Dabei gibt es die Zukunft nicht. Es gibt nur das Zukünftige, das in unendlicher Zahl aus dem Keim des Gegenwärtigen sprießt. Es übersteigt unsere Vorstellungskraft ebenso wie jede andere Facette unseres Vermögens, genau dem Pfad in diesem Gewirr zu folgen, der uns mit Sicherheit an unser Ziel bringt.« Ammorna hob die Hände in einer entschuldigenden Geste. »Selbst dein Meister kann das nicht, ganz gleich, wie sehr er sich auch weigert, diese Lektion zu lernen. Sicher, er wird seine Rache bekommen, doch es könnte auf eine andere Art geschehen, als dass er Arvid und Waldur seine Schwerter in die Brust stößt.«
    Eine Weile war nur Kjells Schmatzen zu hören.
    Nachdem er seine Fassung zurückgewonnen hatte, wagte sich Namakan, Ammornas Redseligkeit und Dalarrs Abwesenheit gleichermaßen auszunutzen. »Habt ihr über mich geredet?«
    »Wer?«
    »Du und mein Meister. Habt ihr über mich geredet? Heute Morgen?«
    Ammorna zupfte an einer Strähne ihres Haars, die ihr in die hohe Stirn gefallen war. »Wir haben eigentlich mehr über ihn geredet. Über etwas, das er meiner Ansicht nach dringend tun sollte. Er sollte dir seine Vergangenheit darlegen.«
    »Er sagt, er sei früher anders gewesen. Stimmt das?«
    »O ja.« Etwas Abschätziges lag mit einem Mal in Ammornas Worten. »Wenn du glaubst, er wäre heute aufbrausend und streitlustig, dann hättest du ihn damals sehen sollen. Er ließ sich von nichts anderem leiten als von seinen Leidenschaften. Und nicht alle seiner Leidenschaften waren für die um ihn herum ein Vergnügen. In dieser Hinsicht ist er keinen Deut besser gewesen als sein Bruder. Er hat …« Sie brach ab und legte den Kopf schief. »Still«, zischte sie.
    Und tatsächlich: Draußen näherten sich Schritte.
    »Na?«, platzte Morritbi in die Laube. »Was hockt ihr da stumm wie die Fische ums Feuer?«
    Hinter ihr trat Dalarr durch den Durchlass, warf zwei tote Hasen neben die Feuerstelle und knurrte: »Da! Abziehen! Mir knurrt der Magen. Wenn ich nicht bald was zu fressen kriege, werde ich ungemütlich.«
    Namakan stand auf, zog seinen Jagddolch und griff nach einem der Hasen. Als er das weiche Fell des Tiers berührte, hielt er kurz inne und schaute zu seinem Meister hoch.
    »Habe ich etwa Rotze an der Nase hängen?«, blaffte Dalarr. »Oder was ist los?«
    »Nichts.« Namakan schüttelte den Kopf und richtete sich auf. »Gar nichts.« Er ging an Dalarr vorbei, hinaus in die Nacht, um den Hasen abzuziehen und dabei darüber zu grübeln, welche Geheimnisse sein Meister wohl vor ihm verbarg.
    Am Morgen darauf bestand nach einer Stunde Wegstrecke berechtigter Anlass zur Freude unter den Wanderern: Sie kletterten einen letzten Steilhang hinauf, hinter dem das Gelände flacher, fast schon eben wurde – ganz so, als hätte ein Riese dem Hang einen Fausthieb versetzt und seine obere Hälfte einfach umgeschlagen. Auf dieser Hochebene standen zudem die Tannen nicht mehr so eng beieinander wie zuvor, und dementsprechend dicht wuchs das Unterholz.
    Die Wanderer bahnten sich einen Weg durch kahle Büsche und Sträucher, wobei sie langsam den nötigen Atem wiederfanden, um Unterhaltungen zu führen. Morritbi und Dalarr schritten voran, in ein lautstarkes Gespräch vertieft, das halb giftiger Streit, halb heiteres Geplänkel darüber war, wer von ihnen bei der gestrigen Jagd die Hasen als Erster gesehen hatte. Dahinter mischte sich Ammorna hier und da mit einer spitzen Bemerkung in die Debatte ein, während Kjell und Namakan die Nachhut bildeten.
    Kjell erwies sich nicht nur als ausgesprochen wortkarg, sondern wirkte insgesamt eher abwesend. Wenn ihm ein Zweig das Gesicht streifte, fuhr er sich so träge über die Wange, als würde er an einem heißen Tag kaum die Kraft aufbringen, eine lästige Fliege zu vertreiben. Wenn er über eine Wurzel stolperte, gab er nur ein kurzes Murren von sich, ohne die Füße für die nächsten Schritte höher zu heben. Wenn Namakan ihn freundlich anlächelte, erntete er dafür nicht die geringste

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