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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Morritbi darauf bestand, sich seinem Meister anzuschließen.
    Kjell hingegen strich immer unruhiger durch die Laube. Er ging auf und ab, kratzte sich an Armen und Rumpf, als müsste er gegen ein ganzes Heer von Flöhen ankämpfen. Er begann, sich bis auf die nackte Haut auszuziehen. Dabei spähte er immer wieder ängstlich durch die winzigen Lücken in den Zweigen hinauf zum Himmel, der sich zunehmend verfinsterte. Schließlich brachen auch er und Ammorna in den Wald auf, und Namakan fand sich allein mit dem Feuer wieder.
    Eine überraschende Erkenntnis sickerte in sein Bewusstsein. Ich bin allein. Zum ersten Mal auf dieser Reise bin ich wirklich ganz allein. Er spielte mit dem Ring an seiner Hand, drehte ihn das kleine Stückchen hin und her, das er sich mit viel Mühe bewegen ließ. Er hörte Kjell schreien und erinnerte sich daran, dass es anderen noch schlimmer erging. Er grub seine Hände in das Laub, auf dem er saß. Tiefer und tiefer wühlte er, in der Hoffnung, es würde ihm neue Kraft schenken, den festen Boden unter seinen Fingerspitzen zu fühlen.
    Ein stechender Schmerz wie von einer Nadelspitze fuhr ihm in die Kuppe seines Daumens. Er steckte sich den Daumen in den Mund und scharrte mit der anderen Hand vorsichtig nach dem Ding, das ihn gestochen hatte. Es war keine Nadelspitze, die ihm die winzige Wunde beigefügt hatte. Es war eine Pfeilspitze, dreieckig und aus kastanienbraunem Holz, das glänzte, als wäre es eben erst mit einem Tuch poliert worden. An ihrem breiteren Ende ragte ein Stück des abgebrochenen Pfeilschafts hervor, kürzer als ein Fingerglied. Namakan hielt sein Fundstück näher ans Feuer. Da war nichts, womit die Spitze am Schaft festgemacht war. Keine Schnüre, kein kleiner Ring aus Metall … als wäre der ganze Pfeil aus einem einzigen Stück Holz geschnitzt worden. Er prüfte die Härte des Holzes mit dem Daumennagel, doch so sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, auch nur den kleinsten Abdruck im Material zu hinterlassen. Es ist hart wie Stein. Ob man es im Feuer gehärtet hat?
    »Wusste ich’s doch.« Ammorna stand im Eingang der Laube, Kjells Käfig unter dem Arm. »Da will der alte Wanderer also hin.«
    »Du weißt, was das ist?« Namakan hielt der Weißhaarigen seinen Fund entgegen.
    »Eine Pfeilspitze«, sagte sie nur und stapfte zu dem an ihren Stab gebundenen Beutel, den ihr Morritbi gegeben hatte, um darin ihren Proviant zu transportieren. »Das sieht man doch.«
    »Du weißt, wer solche Pfeile macht, meinte ich.«
    Ammorna nickte und schnürte den Beutel auf. »Ja. Deshalb bin ich mir jetzt auch sicher, wohin dieser ungehobelte, griesgrämige Klotz uns bringen möchte.«
    Namakan betrachtete die Pfeilspitze. »Und wohin wäre das?«
    »Ich will dir die Überraschung nicht verderben«, brummte Ammorna, nahm einen Tannenfladen, bröselte ihn klein und fing an, die Krümel an Kjell zu verfüttern. »Außerdem wird dieser Stinkstiefel bestimmt noch stinkstiefeliger, wenn ich es dir verrate. Er hatte schon immer eine ungesunde Vorliebe für große Auftritte und überraschende Enthüllungen. Ich nehme an, er hätte auch einen guten Gaukler abgegeben.«
    »Woher kennst du ihn?«
    »Hm?« Ammorna beugte sich über den Käfig, als verspürte sie plötzlich eine unbändige Neugier, ob Kjell die dargebotenen Leckerbissen auch wirklich fraß.
    So leicht kommst du mir nicht davon. »Tu nicht so. Mir ist klar, dass du mich für dumm hältst. In mancherlei Hinsicht stimmt das vielleicht sogar. Aber ich müsste dümmer als das dümmste Huhn sein, um nicht zu merken, dass du meinen Meister kennst. Von irgendwann früher, als er noch nicht auf den Almen gelebt hat. Als er noch jung war.«
    Ammorna verharrte einen Moment reglos. Dann kicherte sie und nickte anerkennend. »Sieh an, sieh an. Ich sollte mir dringend abgewöhnen, die Schärfe des Geists meines Gegenübers anhand der Schönheit seiner stofflichen Hülle einzuschätzen. Na gut, ja, ich kenne ihn.«
    »Ha!« Namakan konnte sich ein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen.
    »Und wen ich noch besser gekannt habe«, führte Ammorna aus, »ist deine Mutter. Natürlich nicht deine leibliche Mutter. Du hast die Ehre, der erste Halbling zu sein, mit dem ich mehr als ein paar Worte wechsle. Nein, ich meine Lodaja. Sie und ich waren einmal Freundinnen. Sehr gute Freundinnen sogar. Wir waren durch ein Band verbunden, wie es nur durch geteiltes Leid entsteht.«
    »Lodaja …«, wisperte Namakan ungläubig. Sie treibt einen

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