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Heldenwinter

Heldenwinter

Titel: Heldenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Regung.
    Ich halte das nicht mehr aus. Das ist ja wie neben einem Plageopfer herzugehen. »Woran denkst du?«
    Kjell schaute sich verwirrt um. »Verzeihung. Hast du etwas gesagt?«
    »Ich wollte wissen, woran du denkst.«
    »An meine Leute. Ich mache mir Sorgen. Wer soll ihnen jetzt Korn geben?«
    Das ist es also. Namakan wusste keine Erwiderung, die den Grafen ohne Land aufgeheitert hätte. Er steckte die Hand in die Hosentasche und förderte die Pfeilspitze zutage. »Schau mal. Die habe ich in der Laube gefunden.«
    »Schön.« Kjell würdigte sie kaum eines Blicks.
    »Sie ist aus Holz, das hart wie Stein ist«, erklärte Namakan, weil er lieber wenigstens der eigenen Stimme lauschte, als wieder das dumpfe Schweigen zu ertragen. »Das ist merkwürdig. Findest du nicht?«
    »Es heißt, die Barbaren von manchen der Pferdestämme würden ihre Pfeile ganz aus Holz schnitzen«, sagte Kjell achselzuckend und ohne echtes Interesse.
    »Dann ist das wohl von so einem Pfeil, was?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    Kjell blies die Backen auf. »Nein«, sagte er noch einmal in schulmeisterlichem Ton. »Erstens hat er keine Widerhaken, und zweitens steht in keiner Chronik, die ich gelesen habe, dass es jemals eine Barbarenrotte bis in den Schwarzen Hain geschafft hätte.«
    »Wer hat ihn denn sonst gemacht?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Dann ist Ammorna aber keine gute Lehrerin.«
    »Wieso? Hm? Wie kommst du auf so einen Unfug?«
    Namakan senkte den Kopf und inspizierte die Pfeilspitze. Hoppla, jetzt bin ich ihm anscheinend auf die Zehen getreten. »Na ja … sie weiß, wer diesen Pfeil gemacht hat, aber sie wollte es mir nicht sagen. Und wenn du jetzt meinst, dass du es nicht weißt, dann …«
    »Gib her!« Kjell riss ihm die Pfeilspitze aus der Hand. »Ammorna!«
    Seine Amme drehte sich um, und auch Dalarr und Morritbi blieben stehen, um nachzusehen, was es mit dem scharfen Ruf auf sich hatte.
    Kjell präsentierte Ammorna die Pfeilspitze auf seiner Handfläche. »Der Kleine sagt, du wüsstest, welches Volk mit solchen Pfeilen schießt.«
    Ammorna funkelte Namakan an. »Dir gehört wirklich der vorlaute Mund zugenäht.«
    Dalarr kam näher heran. »Wenn die Nebelkrähe es nicht weiß, ich weiß es bestimmt.« Sein Grinsen war wie weggewischt, als er die Pfeilspitze sah. »Dridd!«
    »Was ist ein Dridd?«, wollte Morritbi wissen.
    Namakan bedeutete ihr mit einem Finger an den Lippen, dass sie besser schwieg, anstatt Dalarr – ob nun bewusst oder unbewusst – zu reizen.
    Glücklicherweise galt Dalarrs Groll der Kroka-Dienerin. »Du musstest mir unbedingt die Freude rauben, meinem Schüler in all diesem verfluchten Elend etwas Gutes zu tun und ihm eine schöne Überraschung zu bereiten, was, du eitle Stute?«
    »Wen nennst du hier eitel, du Gockel?« Ammorna stampfte zornig auf. »Und meine Lippen waren versiegelt, so wahr mir die Gefiederte helfe.«
    »Worüber streitet ihr euch?« Kjell schnippte die Pfeilspitze zurück zu Namakan. »Was geht hier vor? Ich verlange eine Antwort. Auf der Stelle!«
    »Oho«, schnaubte Dalarr. »Der hohe Herr hat den Beutel zwischen seinen Beinen wiederentdeckt!«
    Morritbi musste lachen, während Kjells Gesicht puterrot wurde. »Antworte mir!«
    »Lass dich von diesem Grobian nicht provozieren«, mahnte Ammorna ihren Schützling.
    »Dann sag du mir, warum ihr euch in den Haaren liegt!«, verlangte Kjell.
    »Gern.« Ammorna machte einen Knicks. »Wir gehen zu …«
    »Untersteh dich, Weib!« Dalarr hielt der Alten den Mund zu, doch sie knallte ihm geschickt ihren Stab in die Kniekehlen.
    Während Dalarr um sein Gleichgewicht rang und dabei Ammornas Mund freigab, vollendete sie rasch ihren Satz. »Den Elfen. Wir gehen zu den Elfen.«

18
    Hat mein Volk nicht viele feste Dinge geschaffen, deren Anmut euch Rundohren den Atem raubt, sobald ihr ihrer gewahr werdet? Doch erkennt ihr nicht, dass sie doch nur Teil unserer größten Täuschung sind?
    Wisst ihr etwa nicht, dass unser Herz nicht an den festen Dingen hängt? Dass es das nie tat und dass es das niemals tun wird? Schlägt es nicht vielmehr für all das, was nicht zu greifen ist?
    Den Klang eines Liedes, das einen zu Tränen rührt?
    Oder die Eleganz, mit der ein Windhauch ein Blütenblatt auf seinen unsichtbaren Händen trägt?
    Oder den flüchtigen Anschein des Garstigen, mit dem eine stachelige Raupe verbirgt, welche Schönheit wirklich in ihr schlummert?
    Aus den Offenbarungen des Elfenstreuners Blad bon Talare, von seinem Volk Tschijasch

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