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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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Männer ritten in den Kisten, die links und rechts am tonnenförmigen Leib der Kreatur festgeschnallt waren. Ihre Aufgabe war einfach zu durchschauen: Sie behielten zum einen die Gefangenen im Auge, die der von der Rüsselschnauze ins Steppengras getrampelten Schneise folgten. Zum anderen spähten sie in die Weite hinaus, um für unliebsame Überraschungen gewappnet zu sein und um nach neuer Beute Ausschau zu halten. Der Rest der Harten Menschen eskortierte die Gefangenen in einigem Abstand und ohne allzu viel Mühe.
    Denn ganz gleich, wie sehr Teriasch und Dokescha auch darauf achteten, ihre Bewegungen aufeinander abzustimmen, staksten sie mehr ungelenk, als dass sie zügig gingen, und den anderen Paaren erging es ebenso. Teriasch fühlte sich wie ein armes Pferd, das sich den Lauf in einem Erdhörnchenbau gebrochen hatte. Für gewöhnlich erlöste man ein solches Pferd so schnell wie möglich von seinen Qualen. Eine Gnade, die Teriasch nicht vergönnt war. Nach einer Weile begannen ihn Krämpfe in den Waden zu plagen, und ein ums andere Mal wäre er gestürzt, wenn nicht Dokescha kräftig genug gewesen wäre, sie beide auf den Beinen zu halten.
    Unter den Harten Menschen hatte es inzwischen die Runde gemacht, dass einer der Gefangenen ihre Sprache verstand. Aus bösartiger Langeweile heraus spornten sie Teriasch gelegentlich mit spöttisch-aufmunternden Zurufen an oder forderten ihn auf, ihnen doch etwas Unterhaltsames darüber zu erzählen, wie die Steppenbewohner es mit ihren Pferden trieben. Teriasch ignorierte die meisten der Schmähungen, bis es einer der Harten Menschen schließlich übertrieb.
    »Merken die Stuten überhaupt etwas von euch, wenn ihr mit euren Stöckchen bei ihnen ankommt?«, höhnte er.
    Zorn durchflutete ihn wie eine brennende Woge. Er ballte die Fäuste und schrie: »Genug! Genug!«
    »Ah!«, sagte der Spötter. »Sie merken also genug!«
    Das einsetzende Gelächter der Männer brach ab, abgelöst vom lauten Klirren eines Kettenpanzers, als die Rüsselschnauze unvermittelt stehen blieb und sich schüttelte. Ihr Lenker verlor seinen Hakenstock und klammerte sich an seinen Sattel, während die Männer in den Kisten schreiend übereinander fielen. Das schnaubende Tier nahm seinen Kopf zur Seite und funkelte den Kerl, der Teriasch gereizt hatte, aus seinen kleinen schwarzen Augen an.
    »Es dreht durch. Es dreht durch.« Dokescha riss Teriasch einige Schritte mit sich fort, weg von der Bestie.
    Der Fremde mit dem Löwenhelm brüllte eine Reihe scharfer Befehle, die seine Untergebenen geflissentlich überhörten.
    »Genug …«, flüsterte Teriasch weiter. Es kann mich hören. Es teilt meinen Zorn. »Genug …«
    Die Rüsselschnauze senkte das Haupt wie zu einem Stoß mit ihren fingerlangen mit Metalldornen gespickten Hauern.
    Der Spötter richtete seine Axtlanze auf das Tier, eine verzweifelte Geste, wie sie hilfloser nicht hätte ausfallen können.
    Der Lenker zerrte nun wie wild an einem Ohr der Rüsselschnauze. »Ruhig! Ruhig!«
    »Nimm deine verbockte Hasta runter, Soldat!«, fluchte der Löwenhelmträger und sprang nach vorn. Er bückte sich, verschwand halb im Gras und tauchte mit dem Hakenstock in der Hand wieder auf. Furchtlos bohrte er die Spitze in die Flanke der Rüsselschnauze. Sie durchdrang zwar nicht die Panzerung, doch das Tier gab dennoch einen erschrockenen Laut von sich und stampfte schwerfällig seitwärts. Sein Kopf pendelte in der Bewegung mit, und nun war an seinem Hals etwas zu sehen, das zuvor zwischen wulstigen Hautfalten versteckt gewesen war: ein armdicker Reif aus einem schwarzen Material, in dem weiße Einschlüsse schillerten. Der nächste Hieb des Löwenhelmträgers zielte genau auf dieses sonderbare Schmuckstück.
    Ein Blitz ohne Donner blendete Teriasch, und er starrte einen flüchtigen Moment in eine gleißende Leere. Wie von fern vernahm er einen lang gezogenen, heiseren Schrei, der unmöglich aus der Kehle eines Menschen stammen konnte. Der Zorn, der eben noch unbändig in ihm getobt hatte, kroch verängstigt in sein tiefstes Innerstes zurück. Teriasch stolperte, kam jedoch nicht zu Fall. Der Schrei verklang, das Gleißen erlosch. Er blinzelte.
    »Was hast du?«, fragte Dokescha.
    »Der Blitz …«, stammelte Teriasch. »Der Schrei …«
    »Welcher Blitz? Welcher Schrei?«
    Hat er es nicht gesehen? Hat er es nicht gehört? Teriasch riss die Augen auf, sah sich um. Niemand außer ihm – keiner von den Steppenbewohnern und auch keiner von den Harten

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