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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Wolf
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werden. Womit denn?«
    »Wie du deinen Zorn walten lässt. Du hast offenkundig nicht sehr viel Übung darin. Um genau zu sein, bist du der plumpste Tendra Megun Romur, dem ich je begegnet bin.« Fulmar zupfte drei Saiten, deren Töne in Teriaschs Ohren irgendwie schief klangen. »Und ich bin schon so einigen begegnet.«
    Wann hat er meinen Zorn gesehen? Teriasch stockte der Atem. »Das warst du! Der Mann am Horizont, der erst da und dann wieder weg war! Als die Rüsselschnauze wütend geworden ist, weil ich wütend geworden bin.«
    Fulmar schürzte die Lippen. Seine Melodie vollführte einen heiteren Sprung. »Das kann schon sein. Ich hoffe, du hast gelernt, die Probaskas in Ruhe zu lassen. Sie stehen unter einem starken Einfluss, den du nicht so einfach brechen kannst.«
    »Du folgst mir«, stellte Teriasch fest.
    »Nimm dich bitte nicht so wichtig.« Fulmar entlockte seinem Instrument eine Schar düsterer Klänge. »Wir sind nur zufällig in die gleiche Richtung unterwegs.«
    »Du willst dorthin, wo die Harten Menschen hingehen?«, fragte Teriasch.
    »Ich habe genug von der Steppe.« Fulmar ahmte das Geräusch des Windes nach, wenn er über die Weite strich. »Zu viel Gras und zu wenig Leute, verstehst du?«
    »Du hast recht. Ich kann meinen Zorn nicht lenken, und wenn die Harten Menschen herausfinden, dass ich ihre Rüsselschnauze zum Ungehorsam angestachelt habe, bringen sie mich um.« Teriasch atmete tief durch. Jetzt muss er anbeißen! »Aber könntest du mir nicht dabei helfen, meinen Zorn besser zu beherrschen?«
    »Hör auf, mir Honig ums Maul zu schmieren!« Fulmar grinste. »Du bist kein so großer Verführer, wie du denkst. Ich werde dich nicht befreien, und dabei bleibt es.«
    Teriasch ließ die Schultern hängen. Er ist zu schlau für mich … oder zu verrückt.
    »Das ist kein Grund, Trübsal zu blasen«, meinte Fulmar aufmunternd zu ein paar frohgemuten Noten. »Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht den einen oder anderen Rat für dich hätte.« Er schlug alle Saiten auf einmal an. »Hier ist der erste. Reiz die Soldaten aus dem Dominum nicht. Du bist für sie wertvoller, als du dir vorstellst. Für sie bist du das, was ein gutes Pferd für deine Leute ist. Ein kleiner Schatz.«
    »Ich bin kein Tier«, protestierte Teriasch.
    »Das kommt ganz darauf an, wer dich gerade betrachtet«, erwiderte Fulmar schnippisch. »Die einen sagen so, die anderen so.« Erneut griff er beherzt in die Saiten. »Das ist mein zweiter Ratschlag. Du kannst deine Freiheit zurückerlangen, aber du musst den richtigen Augenblick abwarten. Nicht zu früh und nicht zu spät. Du brauchst nicht ewig Sklave zu sein, wenn du deine Gabe klug einsetzt. Übe dich vorsichtig darin, und sie wird der Schlüssel sein, der alle Schlösser öffnet.« Ohne seine Melodie zu unterbrechen, erhob sich Fulmar. »Gib mir eine Geschichte, die sich zu erzählen lohnt.« Er wandte sich um.
    »Halt!« Teriasch griff nach dem Saum von Fulmars Umhang und bekam den verblüffend kühlen, harten Stoff zu fassen. »Was ist mit dem dritten Ratschlag?«
    Mit einer barschen Drehung der Schulter riss Fulmar seinen Umhang frei. »Wovon redest du da?«
    »Alle wichtigen Dinge kommen immer zu dritt, die guten wie die schlechten«, sagte Teriasch.
    »Dridd.« Dieses Wort, das Fulmar ausspie, klang verdächtig nach einem üblen Fluch. »Wer erzählt denn so einen Unfug?«
    »Pukemasu.« Wieso Unfug?
    »Das alte Weib, das mit dir und deiner Gabe nichts anzufangen wusste?«
    »Ja.«
    Fulmar beugte sich ein wenig zu Teriasch herunter und flüsterte: »Gut, mein nackter Freund. Dann sollst du noch einen dritten Ratschlag kriegen. Er lautet: Glaube nur an die Regeln in der Welt, die du eigenhändig durchsetzen kannst. Und jetzt schlaf.« Die Abfolge der Töne von Fulmars Instrument wurde langsamer und langsamer. »Du hast noch einen langen Marsch vor dir.«
    Teriaschs Lider flatterten. Das Letzte, was er sah, bevor ihm die Augen zufielen, war das Glitzern von Fulmars Mantel im Mondlicht.

3

     
Geister der Hoffnung erscheinen den Unwissenden ekelhaft, denn sie zeigen sich uns Menschen in der Gestalt von Würmern. Dabei verraten sie damit ihre größte Macht: Ganz gleich, in wie viele Stücke sie zerschnitten werden, fand noch keiner einen Weg, sie endgültig zu töten.
Aus den Weisheiten einer Geisterseherin der Steppenvölker
     
    Zwei Tagesmärsche später – immer in die Richtung, in der die Sonne unterging – gelangte der Zug an ein unumstößliches Zeugnis dafür,

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